Ihr kennt alle das Problem, von irgendwelchen Callcentern mit Anrufen belästigt zu werden. Mal hast Du eine Reise nach Malle gewonnen oder mal eine Spiele-Gewinn-Zusage. Aber immer ist es mit einem berühmten „Deutschen Haken“ verbunden. Was wäre denn auch ein Deutscher ohne Haken? Etwa so, wie ein Holländer ohne Wohnwagen oder Thule-Box, oder?
Also, mich erreichte eines Tages, etwa vor 5 Jahren, ein solcher Anruf. Am anderen Ende der Leitung sprach ich mit einer sehr netten jungen Frau. Sie leierte mir ihr Anliegen herunter, glich nochmals meine Daten mit den ihr vorliegenden ab und rückte dann mit dem „Haken“ raus. In ihrem bescheuerten Fall sollte es ein Zeitschriften-Abo sein. Für mich stand fest, die Typen sind alle gleich, werden nach Abschluss bezahlt, sind selbst Hartz IV-Empfänger, allein erziehend und müssen sich ein Zubrot verdienen, um monatlich über die Runden zu kommen. Zu ihren 400 € erhalten sie pro Abschluss eine gewisse Summe X, die sie dann vom Arbeitsamt im Endeffekt wieder abgezogen bekommen. Also, dafür würde ich meinen Hintern nicht aus dem Bett heben und mir noch Knöpfe an die Backe labern lassen von Leuten, die erbost oder so Qerulanten sind, wie ich einer bin.
Nun, die freundliche Dame schien der Stimme nach nicht älter als Ende 20 zu sein. Als sie zu ihrem Anliegen kam, nachdem ich alles bestätigt hatte, was sie über mich wusste, habe ich sie gefragt, ob ich nun auch mal erzählen dürfe.
Sie bat darum, und hörte mir brav zu.
Ich erklärte ihr, dass ich mehrfach Krebs erkrankt sei, und dass zwei Jahre zuvor mein Mann, ebenfalls an Krebs, verstorben sei. Meine Kinder seien nun erst 11 und 17 Jahre alt, und vor einem Jahr habe meine Firma wegen Betriebsschliessung, meinen Job gekündigt. Seit meiner „irritierten Gesundheit“ und auf Grund der geschilderten Tatsachen, wäre mein Einkommen natürlich auch entsprechend geschmolzen. Meinen Mercedes habe ich verkaufen müssen und meine Träume und Ziele haben sich weit von mir entfernt.
Sie hörte mir sehr aufmerksam zu. Ich musste sogar nachfragen: „Hallo, sind Sie noch dran?“
Ich vernahm einen tiefen Seufzer. „Das tut mir sehr leid, Frau Rühmann. Ich verstehe, dass da eine zusätzliche finanzielle Belastung nicht machbar ist. Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie belästigt habe. Ich wünsche Ihnen viel Kraft und Mut, das alles durchzustehen.“
„Sie müssen sich nicht entschuldigen. Schliesslich konnten Sie meine Situation ja nicht kennen.“
„Aber Sie klingen so tapfer! Halten Sie durch! Ich wünsche Ihnen alles Gute, und dass Sie das, was Sie gerade durchleben, erfolgreich überstehen. „
„Danke, junge Frau. Wie war doch noch gleich Ihr Name?“
„Schneider, Iris Schneider.“
„Sie machen doch auch nur Ihren Job, aus welchen Gründen auch immer.“
Wir verabschiedeten uns sehr höflich von einander, und ich dachte über diese junge Frau nach. Wie lieb sie doch gewesen war. Wenn sie ein Call-Center als Job gewählt hatte, musste sie doch ziemlich verzweifelt gewesen sein.
Ich schlief über meinen Gedanken ein. Mein Körper war sehr schwach.
Nach etwa 14 Tagen erhielt ich einen Brief. Ich öffnete ihn, weil ich gespannt war, was darin enthalten war. Den Absender kannte ich nicht – oder doch?
Er stammte von der jungen Frau, mit der ich lange gesprochen hatte, etwa vor zwei Wochen, die aus dem Call-Center. Ich war erfreut und erstaunt zugleich. So etwas war mir noch nicht passiert. Sie schrieb:
„Sehr geehrte Frau Rühmann, ich habe mir sehr lange Gedanken gemacht, was man Ihnen schreiben könnte. Ich habe mir gedacht, dass Schweigen manchmal wirklich Gold ist und mich für ein Gedicht entschieden. Ich wünsche Ihnen alles erdenklich Gute und eine schnelle Genesung! Mit freundlichen Grüssen, Iris Schneider.“
Es wurde mir warm und mir stiegen Tränen in die Augen. Sie hatte in einer speziellen Schrift und auf Urkundenpapier in Flyer-Grösse ein Gedicht beigelegt. Ich nahm es gesondert zur Hand und las es:
„Sterne und Träume
Weisst Du noch, wie ich Dir die Sterne vom Himmel holen wollte, um uns einen Traum zu erfüllen? Aber Du meintest, sie hingen viel zu hoch…! Gestern streckte ich mich zufällig dem Himmel entgegen, und ein Stern fiel in meine Hand hinein. Er war noch warm und zeigte mir, dass Träume vielleicht nicht sofort in Erfüllung gehen; … aber irgendwann…..! (Markus Bomhard)“
Die Tränen rannen mir übers Gesicht. Ich freute mich und war gerührt zugleich. Was hatte diese junge Frau dazu bewogen, mir dies zukommen zu lassen? Anbei war noch eine Visitenkarte von ihr. Sie machte Finanz Beratungsdienst in Deutschland (Vertrieb).
Wir haben einige e-mail-Kontakte gehabt, bis mein Rechner gestorben war. Selbst er hatte mich verlassen! Er hatte mich aber auch ermutigt, mir mit allen Mitteln einen Nachfolger zu verschaffen, damit ich wieder texten konnte, unter anderem mit dieser netten Frau. Sie schickte mir irgendwann nocheinmal Fotos von ihrer Hochzeit, und dann brach der Kontakt ab….
Vorhin, im Rausch meiner Einsamkeit, habe ich nochmal alte Papiere durchgearbeitet und fand ihren Brief, mit seinen Anhängen. Ich werde jetzt versuchen, über ihre Visitenkarte erneut Kontakt zu ihr aufzunehmen.
Das Fazit, was ich aus diesem damaligen Telefonat gezogen habe, ist, dass man sie nicht alle über einen Kamm scheren sollte. Oftmals helfen ehrliche Worte, um einen neuen Freund zu gewinnen…
(c) Christiane Rühmann
1 Kommentar:
viel gelernt
Kommentar veröffentlichen