Nachbars Söhne........

Als ich im Jahr 1954 geboren wurde, befand sich mein Elternhaus, in dem ich das Licht der Welt erblickte, fast noch im Rohbau. Nicht, dass ich das noch genau wüsste, aber ich weiss es aus Erzählungen und von Fotos. Als einziges Mädel und letztes von 5 Kindern bin ich auf dem Land aufgewachsen. Um uns herum gab es kaum ein Haus. Erst immer im Abstand von 100 bis 200 m. Es gab ein Mädchen in der Nachbarschaft. Sie wohnte etwa 400 m weiter. Mit der hatte ich mal "versucht" zu spielen. Boaah, war das eine Zicke. Typisch Weib halt. Sie hat mich mal so genervt, dass ich sie in den Kleiderschrank eingesperrt habe. Das waar cool - sie hat mich nie wieder besucht! Sie wahr eh langweilig, konnte nicht weit spucken, nicht auf Bäume klettern, auf den Fingern pfeiffen und Fussballspielen erst recht nicht!

Eines Tages wurden Bagger und Raupen von Tiefladern in der Nachbarschaft abgeladen und begannen, nachdem einige Grundstücke ausgemessen waren, mit Ausschachtungen. Es sollte eine Siedlung um uns herum gebaut werden. Hoffentlich zogen da Leute mit Kindern hin. Nachdem bereits die Keller gemauert waren, machte sich bei uns eine Familie bekannt, die zwei Söhne hatten. Der eine war genau in meinem Alter und der andere eineinhalb Jahre jünger. Endlich ein Lichtblick! Na, die würde ich schon aufmischen!

Obwohl ich auf der anderen Seite auch sehr traurig darüber war, dass so viel unberührte Natur nun vielen Wohnhäusern weichen sollte, freute ich mich auf neue Bekanntschaften. Ich hatte auf den gegenüber liegenden Feldern Rehkitze aufwachsen sehen, Marder, Schlangen, Iltisse und Füchse waren bislang unsere Nachbarn. Wo sollten wir Ski laufen im Winter?

Nun ja, ich vermochte nichts daran zu ändern und beschloss von nun an, mich auf den Einzug der neuen Leute zu freuen.

Günter, der ebenso alt war wie ich, hatte mich von Anfang an angepeilt, ebenso, wie ich ihn. Ich fand ihn aber auch ganz süss, muss ich gestehen. Wir waren seinerzeit so um die acht bis neun Jahre alt. Wir besuchten im Ort die gleiche Schule und nachmittags spielten wir gemeinsam. Wir waren richtige Abenteurer und gute Freunde. Mit Hammer, Nägel und Bretter bewaffnet zogen wir oft in den Wald und bauten uns Baumhäuser, in deren unmittelbarer Nähe sich meisst ein "Runterlassbaum" befand. Wir sprangen dann von diesen Baumhütten an die dünneren Bäume, die sich unter unserem Gewicht so bogen, dass wir uns daran runterlassen konnten. Das machte Spass ohne Ende.

An einem anderen riesigen Baum hatte mein Vater ein dickes Tau etwa acht Meter über der Erde an einem dicken Ast befestigt. Hier haben wir immer Wettklettern gemacht. Die Kletterzeit wurde penniebel genau gestoppt. Zunächst nach oben, wo wir eine Fahrradklingel angebracht hatten, die getätigt werden musste, und von da an wieder nach unten. Schummeln war also kaum möglich. Irgendwie schien Günter zwei linke Füsse zu haben, denn beim Klettern hatte er stets verloren. Allerdings hatte er mich beim Giesskannenlaufen öfters geschlagen. Flitzen konnte er, wie ein Wieselchen. Beim Fussball war er mir ebenbürtig.

Oft spielten wir auch mit Glasmurmeln, die man mit dem Daumen in eine kleine von Hand geformte Mulde kicken musste. Dabei konnte man die Murmeln des anderen Mitspielers auch wieder rauskicken. Jedenfalls hatte derjenige gewonnen, der seine Murmeln als erster alle in der Mulde versenkt hatte.

An einem Nachmittag spielten wir dieses Spiel. Irgendwie lag Spannung in der Luft. Ich hatte geschummelt und Günter hatte es bemerkt. Vor Wut trat er mir mit seinem Fuss gegen meinen Unterarm. Ich schrie auf vor Schmerz. Das tat unglaublich weh!
Ich sprang aus der Hocke auf, ballte meine Finger zur Faust und schlug gnadenlos in sein Gesicht und voll auf ..... die Runkel.

Heiliges Kanonenrohr, hat das geblutet! Sogar ich hatte ein paar Spritzer Blut abbekommen. Kreischend und heulend lief jeder von uns zu sich nach Hause, um sich bei seiner Mutter über den anderen zu beschweren. Meine Mutti verband mir grosszügig meinen schmerzenden Arm und Günter bekam von seiner Mama gegen das Nasenbluten einen kalten nassen Waschlappen in den Nacken. "Ihr werdet Euch schon wieder vertragen", meinten unsere Mütter. "Niemals", meinten wir beiden Kinder. So schmollten wir, jeder für sich, voreinander hin, bis es uns langweilig wurde.

Nach kurzer Zeit krochen wir wieder aus unseren Höhlen, trafen uns am Waldrand wieder, näherten uns schmollend einander und hatten bereits nach einer Viertelstunde den nächsten gemeinsamen Streich ausgeheckt.

Einige Jahre später haben wir auch gemeinsam die erste Zigarette geraucht, die Günter seinem Vater geklaut hatte, haben die Katzenaugen aus den Begrenzungspfählen am Straßenrand geklaut, dem bösen Nachbarn seine Heuböcke umgestossen und auf seinem mit Harke fein säuberlich gepflegtem Kiesweg riesige Bremsspuren mit unseren Fahrrädern hinterlassen. Nie hat einer den anderen verraten. Er war es auch, mit dem ich mich zum erstenmal geküsst habe, .....bäääh

Leider haben wir uns dann zwanzig Jahre aus den Augen verloren. Ich glaube, ich habe ihn zuletzt eine Woche vor meiner Hochzeit auf unserem Polterabend wiedergesehen. Gerne würde ich nochmal Erinnerungen mit ihm austauschen. Er hat einen grossen Teil meiner Kindheit mit geprägt..........

CR

TUNESIEN...... (eine wahre Geschichte/Kurzkrimi)

Im Sommer 2003, ein Jahr nach dem Tod meines Mannes, gönnte ich mir einen Urlaub für eine Woche in Tunesien. Ich hatte die Reise drei Monate zuvor im Reisebüro gebucht.
Ich freute mich sehr darauf, einfach mal raus, und doch war mir ziemlich mulmig zumute.
Wie würde ich es wohl machen am Strand mit meiner Tasche und ihrem Inhalt: Handy, Kamera & Co. ? Andere Reisende befanden sich in Begleitung ihrer Ehepartner, Freunde, Kinder usw.

Egal, erstmal ankommen, Zimmer beziehen, und dann werde ich weitersehen.
Vom Flughafen zum Hotel wurden meine Mitreisenden und ich, von einem Bus abgeholt. Der Busfahrer legte mit seinem Gefährt ein Speed an den Tag, boahh, ich war dem Herzinfarkt nahe: Hupen - bremsen - Gas .....

Endlich waren wir vor dem Hotel angekommen. Nachdem ich eingecheckt, mein Zimmer bezogen und meine Koffer ausgeräumt, sowie meine mitgebrachten, für mich unverzichtbaren Gerätschaften, untergebracht hatte, begab ich mich auf Erkundung der Anlage. Heute bin ich davon überzeugt, wie bescheuert ich doch war, Laptop, Video- und Fotokamera mitzunehmen. Vom Handy ganz zu schweigen. Allerdings sollte mir in diesem Urlaub all dieses unnütze Gezeugse doch noch sehr nützlich sein.

Ich begab mich also in die Parkanlage, die sehr gepflegt und grosszügig angelegt war.Ein riesengrosser Pool, Kinder-Spielanlagen, geschlossene Tiergehege, Palmen und wunderschöne blühende Blumen machten die Anlage zu einem Hingucker. Ich bemerkte sofort die Vielfalt an wunderschönen bunten Schmetterlingen, aber auch einen Mann, der mich wie ein Schatten verfolgte.

Ich war verunsichert, ging aber trotzdem zum Strand, der sofort an das Hotelgelände anschloss und sah, tief ein- und ausatmend, die rote Sonne am Horizont im Wasser des Meeres versinken. Ich spürte, wie gut mir das tat und bedankte mich beim Universum, dass es mich hierher gebracht hatte. Viel zu lange hatte ich keinen Urlaub mehr machen können. Ich verweilte am Strand etwa eine halbe Stunde, bevor ich mich wieder auf den Weg zum Hotel machte, um mich dort noch zu einem Absacker in der Bar niederzulassen, mein "Schatten" war auf einmal verschwunden.

Von der Reise und ihren Strapazen war ich recht erschöpft und müde und so begab ich mich nach noch einem kurzen Imbiss und dem Absacker ins Bett und schlief wohl auch sofort ein.

Am anderen Morgen nahm ich mein Frühstück in einem Nebentrakt des Hotels ein, der mich irgendwie an eine Bahnhofshalle erinnerte. Anschliessend ging ich auf mein Zimmer, um meine Badesachen zu holen und mich dann an den wunderschönen Sandstrand zu legen.


Plötzlich war der "Schatten" wieder da! Diesmal trat er mir in der Hotelhalle, die übrigens mit exotischen Figuren und prächtigen Gewächsen ausgeschmückt war, entgegen, stellte sich mir mit einer sehr guten deutschen Aussprache vor: "Hallo, ich heisse Lotfi und habe gesehen, dass Du alleine angereist bist. Du solltest aufpassen, dass man Dir von Deinen wertvollen Sachen nichts stiehlt, und auch auf Dich solltest Du achtgeben."

Uuups, er hatte also bemerkt, dass ich bei meiner Anreise eine Laptoptasche über meiner Schulter trug und zudem noch eine Videokameratasche. Mann, was war ich doch nur für ein Idiot!

Ich war misstrauisch und blickte ihn scharf an, in seine fast schwarzen Augen. "Wenn Du willst", sagte er, "werde ich Dich im Auge behalten und unauffällig in Deiner Nähe bleiben."
"Was bist Du? Ein Privatdetektiv? Ein Ausbeuter, also selbst ein Räuber? Und wenn nichts von allem, was erwartest Du von mir?"


Ich drehte mich um und begab mich auf den Weg in Richtung Strand. Als ich ein ruhiges Plätzchen gefunden hatte, breitete ich mein Strandlaken aus, setzte mich darauf nieder, schaute auf´s Meer, den Strand hinauf und entdeckte ....Lotfi! Er winkte mir aus einer mir jetzt angenehmen Distanz zu und ich .... winkte tatsächlich zurück. Ich wäre gerne ins Wasser gegangen, aber meine Sachen...? Ich beschloss, meine weisse Strandtasche unter mein Badelaken zu legen und vom Wasser aus immer einen Blick auf meinen Liegeplatz zu werfen. Immerhin befanden sich in der Tasche mein Handy, etwas Geld sowie Feuerzeug und Zigaretten. Nach befriedigender Abkühlung watschelte ich zurück zu meinem Platz, warf mich auf´s Handtuch und begann zu relaxen.

Zack! Lotfi war wieder da. Er meinte, dass ich mir keine Sorgen machen müsse, er würde schon auf mich und meine Sachen aufpassen. Langsam fing ich an, mir Gedanken zu machen, registrierte jedoch auch, dass ich nicht die geringste Angst vor ihm hatte, oder irgendwelches Misstrauen! Was war das?

Am Nachmittag wurde eine Fahrt in die Stadt angeboten. Dort gab es traditionsgemäss Basare, Moscheen und noch viele andere interessante Dinge zu sehen. Lotfi hatte unseren Reisebus begleitet und genoss offensichtlich grosses Vertrauen des Busfahrers und auch der Basar- und Restaurantbesitzer in der Stadt. Er bot sich mir persönlich als Führer an. "Naja", dachte ich, und nahm sein Angebot an, aber nicht, ohne ihn zu fragen, wass er als Gegenleistung haben wolle. "Nichts" meinte er und liess mich von dieser Sekunde an nicht mehr aus den Augen. Er besuchte mit mir die engsten Gassen und nahm mich, wenn zu viel "Gewimmel" da war, vorsichtig an die Hand und lotste mich durch die Menschenmengen.Er erzählte mir sehr viel über die Kultur der Tunesier, deren Gepflogen- und Gewohnheiten. Wir besuchten Moscheen und Aussichtstürme, sogar Teppichwebereien, Töpfereien und vieles mehr. Ich mochte ihm gerne zuhören und interessierte mich für jede Kleinigkeit. Zwischendurch machten wir öfters Rast in einem Strassencaffe` und assen Eis oder tranken eine Cola. Während des gesamten Ausflugs habe ich die Impressionen mit meinem neuen Fotohandy festgehalten. Lotfi hatte mich auch fotografiert, allerdings hat er beim Knippsen meinen Kopf abgeschnitten. Fotohandy war in Tunesien der absolute Renner.

Am Abend fuhren wir dann mit dem Bus zurück zum Hotel. Lotfi und ich verabschiedeten uns und hielten es für möglich, dass wir uns später noch einmal beim Animationsprogramm wiedersehen würden. Nachdem ich geduscht und mein Abendbrot eingenommen hatte, machte ich mich mit meinem Laptop auf den Weg zur Terasse, auf der es immer Abendprogramm gab. Ich fuhr meinen Rechner hoch, legte mein Handy daneben und übertrug die geknippsten Impressionen über die Infrarotschnittstelle. Anschliessend brannte ich die Fotos auf eine CD.

Ich wurde wieder beobachtet, das hatte ich gespürt. Plötzlich war ich umgeben von jungen Leuten, meist Studenten, die auf der Hotelanlage jobten als Animateure, Bedienungen, Blumenverkäufer, Tätowierer usw. Sie konnten kaum fassen, was sie da gesehen hatten: Handy neben PC, Bilder übertragen und dann CD brennen???? Das war wohl kaum zu fassen. Die Verständigungsprobleme zwischen den jungen Leuten und mir hatte Lotfi total aus dem Weg geräumt. Nachdem die Pics übertragen waren, löschte ich die Aufnahmen von der Speicherkarte, um neue Kapazität für den nächsten Tag frei zu haben. Da fragten sie mich zaghaft, ob sie sich mein Mobilteil denn auch mal ausleihen dürften, um von sich und ihren Freunden Aufnahmen zu machen und ob ich diese Bilder ihnen dann auch auf CD brennen könne. Als Gegenleistung sollte ich dann Massagen erhalten und Hannah-Tatoos mit Motiven, die ich mir aussuchen könne. Ich dürfe sogar Jetski fahren und Paragliding geniessen. Auch würden sie mich bewachen und dafür sorgen, dass ich meine Zeit dort unbeschwert verleben könne.

Ich meinte, dass ich mir das über Nacht überlegen wolle und morgen sähe man weiter.

Über Nacht kam ich zu der Ansicht, dass ja eigentlich nichts passieren könne, ausser, dass ich mein Handy los sei, welches versichert war. Warum sollte ich den Studenten also nicht die Freude machen. Mein Laptop verstaute ich allerdings, wenn ich es nicht brauchte, im Hoteltresor.

Alles klar, also los zu neuen Abenteuern. Ich wollte von den Angeboten profitieren und alles annehmen, was die jungen Leute mir angeboten hatten. Hätte ich diese Aktivitäten alle bezahlen müssen, wären mir diese eben so teuer gewesen, wie der eventuelle Verlust meines Handys. Was solls.....

Los ging´s. Ich lag am Strand und bekam kühle Getränke gebracht. Dann wurde ich abgeholt, um Jetski zu fahren, und zwar doppelt so lange, wie die übliche Mietzeit war. Danach ging es zu den Motorbooten, wo ich das Geschirr für das Paragliding anziehen musste. Das war ein unglaublich toller Tag! Lotfi hat mich sogar gefilmt, als ich mich in der Luft befand und kurz darauf zur Landung ansetzte. Ich hatte ihm eigens hierzu meine Videokamera anvertraut! Mit Paragliding und Jetski hatte ich mir einen Traum erfüllt. Das waren Dinge, die ich immer schonmal machen wollte, bevor ich diese Erde verlasse. Ich quietschte vor Vergnügen, als ich hoch oben in der Luft am Fallschirm hing.

Ich bemerkte, dass ich leichtsinnig wurde, allerdings war ich trotzdem ständig auf der Hut. Es machte Spass, all das zu tun, was sich sonst nur Leute leisten können, die über richtig viel Geld verfügen. Schliesslich war ich mittlerweile arbeitslos und musste mit jedem Cent rechnen.

Später holte mich ein junges Mädel zur Massage ab. Wow, tat das gut! Ich habe alles genossen. Dann gings auf zum Tätowierer. Meine Güte, sah der Junge toll aus! Ich suchte mir ein cooles Motiv aus und genoss, dass sich die jungen Leute zwischendurch immer zu mir gesellten, um zu fragen, ob alles nach meinen Vorstellungen verlief. Ich fühlte mich wie eine Königin und konnte gar nicht anders, als ihnen dann mein Handy zu überlassen. Und sie zogen los, um zu fotografieren.

Nach etwa einer halben Stunde kamen sie wieder und meinten, das Handy ginge nicht mehr. Dabei war lediglich die Speicherkarte voll. Also übertrug ich ihnen die Pics wieder und brannte sie, löschte die Aufnahmen und liess sie wieder losziehen. Sie waren begeistert und ich war es auch. So ging es von nun an Tag für Tag. Ich trug die tollsten Hannah-Tatoos auf Schulter, am Steiss und an beiden Waden, auf den Oberarmen usw. Wir hatten uns mittlerweile gut angefreundet, und wenn ich von irgendeinem Tagesausflug zurück kam, habe ich ihnen sogar noch eine Kleinigkeit mitgebracht, wie z.B. Kaugummi, Schlüsselanhänger oder ähnliches, alles Dinge, die sie sich nicht leisten konnten.

Sie kamen ja immer brav wieder und liessen die Speicherkarte leeren. Ich weiss nicht mehr ganz genau, wieviele CS´s ich gebrannt habe, die sie mir allerdings besorgt hatten. Schliesslich wollte ja jeder von ihnen eine besitzen. Insgesamt hatten sie über zweitausend Fotos geschossen.

Aber auch an den weiteren Ausflugangeboten habe ich teilgenommen: Straussenfarmen, Wüste, Kamele und - wieder Teppichwebereien. Lotfi begleitete mich ständig und mir wurde langsam klar, worauf das hinauslaufen sollte. Auf einem dieser Ausflüge besorgte ich für meine Töchter einige Souveniers und habe mich entschlossen, auch mir selbst etwas Gutes zu tun und mir für mein kleines Zimmer einen Bettvorleger zu erwerben. Lotfi führte die Preisverhandlungen. In allen Webereien, die wir besuchten, bekamen wir nach Landessitte einen Tee ausgeschänkt. Nach den Versand- und Finanzverhandlungen hielt ich ein kleines Formular in der Hand, mit dem ich beim Deutschen Zoll meinen Bettvorleger in Empfang nehmen könne, nachdem mich der Zoll über die Freigabe der Ware informieren würde. Ich vertraute!

So langsam neigte sich nun mein Urlaub den Ende zu. Traurig war ich schon, aber ich freute mich auch, wieder nach Hause zu meinen Mädchen zu kommen. So verabredeten wir uns für den letzten Abend auf der Terasse, um uns voneinander zu verabschieden.
Die beiden tunesischen Mädel hatten noch eine besondere Bitte an mich: Sie wollten zum Abschied ein Schmuckstück von mir, und zwar jede ein ganz bestimmtes. So mussten also eins meiner Fusskettchen und meine Lederhalskette mit Herzanhänger daran glauben. Das ging für mich total in Ordnung. Wir tauschten keine Adressen aus und auch keine Handynummern. Selbst die Burschen mussten ihre Tränen trocknen, als ich mich von ihnen verabschiedete. Lotfi war nicht zu meinem Abschied erschienen ......

Im Flieger liess ich noch einmal alles Revue passieren, lächelte zufrieden und freute mich dann darauf, dass ich von einem guten Freund mit meiner älteren Tochter am Düsseldorfer Flughafen abgeholt wurde.

Nach etwa einer Woche in der Heimat, erreichte mich ein Anruf aus Tunesien von einem Teppichhändler auf meinem Handy. Er sprach mich mit meinem Vornamen an und duzte mich. Er wollte mir mitteilen, dass mein Teppich unterwegs sei und wollte wissen, ob ich ihm einen Gefallen tun könne. Ich staunte nicht schlecht, dass ihm der Gefallen von mir 2.000,00 EUR wert war. Natürlich wollte ich wissen, was ich denn dafür tun solle, aber er meinte, dass ich ihm erst zusagen solle, dass ich ihm mit diesem Gefallen entgegen kommen würde. Ich liess ihn glauben, dass ich gerade nicht länger sprechen könne, er solle sich doch bitte in einer halben Stunde nochmals melden. Sofort erzählte ich meinen Freunden von diesem Telefonat und beratschlagte meine weitere Vorgehensweise. Uns war sofort klar, dass es hierbei nicht mit rechten Dingen zuging. Wir waren allerdings neugierig, zu erfahren, was ich für das angebotene Geld tun solle.

Eine halbe Stunde später meldete sich mein tunesischer Teppichfritze wieder und wollte wissen, ob ich ihm zusagen würde. Ich entgegnete ihm, dass ich immer noch nicht wisse, welches Risiko für mich dabei sei und deshalb würde ich mir bei 6.000,00 EUR überlegen, ob ich sein Angebot annehmen würde. Dann müsse er mir allerdings auch sagen, was ich dafür zu tun habe. Nun meinte er, er müsse unser Gespräch beenden und würde sich nochmals melden. Eine Stunde später dann sein dritter Anruf. Er erklärte mir jetzt, was ich zu erledigen hätte: Ich sollte für ihn einen Schiffscontainer im Kölner Hafen auslösen, da sein in Deutschland lebender Bruder krank geworden sei und daher diesen Auftrag nicht selbst ausführen könne. Ich hätte doch sicher als junge Witwe 5.000,00 EUR, um diesen Container beim Zoll auszulösen. Ich machte ihm klar, dass ich nicht über diese Summe verfügen würde, worauf er nur meinte, dass ich mir doch sicherlich das Geld leihen könne, was ich ja von ihm zurück erhalten würde. Ausserdem würde ich dann, wenn ich den Container ausgelöst hätte, meine "Prämie" in Höhe von 6.000,00 EUR sofort vor Ort in Köln in bar erhalten. Da sei nämlich etwas in diesem Container, von dem der Zoll nichts wissen solle und ich müsste es aus dem Container entfernen.

Für wie blöd oder naiv hielt mich dieser Typ eigentlich?! Ich gehe davon aus, dass es sich bei diesem Deal um Rauschgift handelte, was ich allerdings nicht weiss.

Ach Du Schande! Ich und Rauschgift?! Dann Handschellen? Ich sah mich schon bei Brot und Wasser im Knast. Nee, das war also absolut nicht mein Ding.

Um ihn hinzuhalten sagte ich ihm, dass ich versuchen wolle, das Geld aufzutreiben und er solle mich bitte in drei Stunden nochmals anrufen, dann könne ich ihm mehr sagen.

Ich hatte natürlich zu keiner Zeit die Absicht, ihm diesen Gefallen zu tun, dazu bin ich viel zu ehrlich und geradlinig. Ich musste nur erstmal nachdenken. Was sollte ich ihm sagen, wenn er wieder anrief? Mir schlockerten leicht die Knie. Hatte das alles nur mit diesem Bettvorleger zu tun oder war Lotfi ein Vermittler und hatten die Studenten damit auch etwas zu tun? Ich war ordentlich verwirrt.

Pünktlich nach drei Stunden rief der Teppichfuzzi wieder an. Ich erklärte ihm, dass ich die Knete absolut nicht auftreiben könne und dass er sich leider jemand anderen aussuchen oder anrufen müsse, der ihm weiterhilft. Ich hätte ihm ja gerne geholfen, zumal ich das Geld sehr gut gebrauchen könne, aber ich sähe keine Möglichkeit.

Plötzlich hatte er es besonders eilig, sich von mir, sogar ziemlich verärgert zu verabschieden. Mein Herz klopfte bis zum Hals.

"Puuhh", dachte ich, wenn der meine Mobilnummer kennt und auch noch möglicherweise von meinem Bettvorleger weiss, ihm mein Name bekannt ist, kennt er auch meine Adresse! Mir wurde etwas flau im Magen. Sollte ich die Polizei oder den Zoll informieren? Das habe ich dann aus Angst vor Rache unterlassen und verdrängte die ganze Geschichte aus meinem Gedächtnis.

Nach einigen Wochen hatte ich den Vorfall tatsächlich fast vergessen, habe sogar nichtmal mehr daran geglaubt, dass ich meinen kleinen Teppich erhalten sollte, bis ich eine Benachrichtigung vom Zoll erhielt. Ich bekam nochmals Schüttelfrost. "Sehr geehrte Frau Rühmann, Ihre Sendung mit der Nummer xxxxxxxx liegt abholbereit........

Nun sind sechs Jahre vergangen und ich lebe noch....! Ich bin mir selbst treu geblieben und darauf bin ich stolz. Trotzdem war das einer der krassesten Urlaube, die ich bislang verleben durfte.

Gott sei Dank, ich habe mich keinerzeit selbst aus den Augen verloren.........


C.R.

Erste Schwimmzüge.....


Ich war das jüngste von fünf Kindern und das einzige Mädchen. Stellt Euch das mal nicht so einfach vor! Ich gebe zu, in den ersten Lebensjahren habe ich ja nicht viel davon mitbekommen, dass meine Brüder wohl offensichtlich auch unter meiner Anwesenheit gelitten haben. In einer Großfamilie ist es aber nun mal so, dass die älteren Geschwister auf die kleineren aufpassen müssen. Ich kann mir vorstellen, dass ich manchmal ganz schön stressig war. Mir fallen da so einige Episoden ein:

In einem Sommer, ich war wohl gerade 1 ½ Jahre alt, hatten sich zwei meiner Brüder einen großen Waschbottich aus dem Keller geholt, um ihn auf der Wiese hinter unserem Haus aufzustellen, mit Wasser zu füllen, und darin zu plantschen, Da es da noch keinen Wasserschlauch mit einem entsprechenden Anschluss gab, mussten sie den Kübel Eimer für Eimer mit Wasser füllen, das sie im Keller abzapfen konnten. Die Eltern hatten es erlaubt. Ich kann mich natürlich persönlich nicht mehr an die Begebenheit erinnern, sondern weiß nur Erzählungen zu berichten. Und dann existiert da auch noch ein Foto drüber, auf dem zu sehen ist, was passiert ist.

Meine Eltern wussten, was die Jungen vorhatten und beobachteten das Ganze von ihrem Schlafzimmerfenster aus. Mutti hatte mir ein Spielhöschen angezogen und ließ mich von der Haustüre aus auf die Wiese watscheln. Ein Wunder, dass ich das überhaupt geschafft hatte, denn ich war das mit Abstand fetteste und hässlichste Baby, was ich je gesehen hatte. Arme und Beine glichen denen eines Preisboxers. Irgendwie hatte ich dann doch den Bottich erreicht, in dem wohl bereits zwei oder drei Eimer Wasser eingefüllt waren. Meine Brüder holten gerade wieder Nachschub. Zielstrebig, wie ich nun mal bin, erreichte ich endlich den Kübel, stützte mich mit meinen dicken Händchen ab und versuchte ein fettes Beinchen über den Rand zu hieven. Da es offensichtlich mit links nicht geklappt hatte, wechselte ich die Position und versuchte es mit rechts. Ja, das hatte endlich geklappt. Platsch, saß ich mit meinem ganzen Körper in der Wanne. Genau da erschienen meine Brüder wieder mit weiterem Wasser. Ich glaube, der Schock sitzt ihnen noch heute in den Gliedern. Sie schauten sich um und entdeckten unsere lachenden Eltern hinter den Gardinen. Vati hatte auf den passenden Moment gewartet und ein niedliches Foto geschossen.

Ein anderes mal hatten sie im Wald am Bach einen Stausee gebaut mit einem Wasserrad. Ich wollte unbedingt mit, aber sie waren so schnell abgehauen, dass ich ganz alleine im Wald umher lief und weinte. Das mochten sie nun auch nicht ertragen und kamen mir wieder entgegen. Sie zeigten mir ihren Stausee und ich Tollpatsch war mit meinem Stiefelchen in der Staumauer hängen geblieben, so dass ich sie komplett zum Einsturz brachte. Plätscher plätscher war alles Wasser weg und meine Brüder so sauer, dass sie mich nach Hause schicken wollten. Sie drängten mich immer weiter zurück und ich habe wohl geschrieen wie am Spieß. Endlich meinte der eine, dass er mich Huckepack wieder nach Hause tragen wolle, weil unsere Mutter wohl Pudding gekocht hätte. Ich könnte auch seinen mit essen, wenn ich die Jungs nur in Ruhe lassen würde. Der Deal stand. Was man mit 4 Jahren bereits alles erreichen kann. Gesagt, getan. So brauchte ich jedenfalls nicht zu laufen.

Im Strandbad hatten sie mir immer versucht, das schwimmen beizubringen. Hätte eigentlich gut klappen können, den Fett schwimmt ja bekanntlich oben. Es hatte allerdings nicht funktioniert, ich konnte den Kopf nicht über Wasser halten, stattdessen konnte ich aber tauchen. Ich sprang vom Einer ins Wasser und tauchte zurück bis an die rettende Treppe. Das war doch auch cool, oder? Aber ich sollte den Freischwimmer machen. Alle hatten ihn und ich sollte auch…. Pööh, habe ich gedacht, doch nicht wenn ihr wollt. Und das meinte ich ernst und blieb stur.

In diesem Sommer wollten wir noch in die Berge fahren. Ich war sechs Jahre, meine Brüder 11 und 13 Jahre. Die beiden großen Jungs mussten zu Hause bleiben, weil sie in der Ausbildung waren. Meine Großmutter hatte auf sie aufgepasst. Unsere Urlaube waren stets sehr bescheiden aber unglaublich schön. Schließlich landeten wir in Achern am Achensee auf einem Campingplatz. Unglaublich hohe Berge, auf den Spitzen noch mit Schnee bedeckt. Hier wollten wir 14 Tage bleiben. Mein Vater hatte extra ein Schlauchboot gekauft, damit wir über Abwechslung nicht klagen konnten. Die Jungs paddelten fast den ganzen Tag damit rum, während ich immer mit den für mich ausländisch sprechenden bayerischen Kindern spielen musste. Mann, war das langweilig. Ich wollte auch mal mit den beiden schippern. Als sie dann noch mal wieder ans Ufer kamen, bestimmten meine Eltern, dass sie mich ruhig mitnehmen sollten, sie wollten ins Dorf gehen um ein wenig für das Abendbrot einzukaufen und sie sollten ja gut auf mich aufpassen.

Peng, hatten sie mich schon wieder an der Backe! Ich wollte natürlich auch mal rudern. Sie ließen mich auch machen, legten sich selbst flach ins Boot und genossen, einmal selbst nichts tun zu müssen. Wow, das war vielleicht anstrengend! Auf einmal sprangen sie in das eiskalte Wasser des Achensees und planschten vergnügt um das Boot herum. Ich konnte ja noch nicht schwimmen, also war nichts mit springen und so. Dann bemerkte ich, wie die beiden miteinander tuschelten. Ich hatte nichts geschnallt. Sie hangelten sich wieder in das Boot und meinten: “Du kannst doch tauchen, dann geh doch auch ins Wasser und tauche unter dem Boot her.” Au ja, das war eine schöne Idee. Schliesslich waren die Jungs ja in meiner Nähe und so konnte mir nichts passieren.

Ich lies mich langsam in das eiskalte Wasser gleiten und hielt mich dabei aber immer noch an der Kordel, die rund ums Boot gespannt war, fest. “Jetzt tauche ich”, rief ich und verschwand in der Tiefe. In diesem Moment begannen die beiden, wie wild zu rudern und entfernten sich rasch von der Stelle, an der ich wieder auftauchen würde.
Als ich mit meinem Kopf wieder über Wasser war und nach der Schnur greifen wollte, fasste ich ins Leere. Ich erblickte die Banausen etwa fünf Meter weiter weg und rief ihnen zu: “Wartet doch auf mich!” Ich bemerkte überhaupt nicht, dass ich ihnen hinterher schwamm. Sie paddelten immer noch voraus und ich ihnen nach.

Von da an konnte ich schwimmen. Der Urlaub machte doppelt so viel Spaß wie vorher. Das haben wir dann stolz meinen Eltern erzählt. Jetzt musste ich nur noch lernen, wie man auf den Fingern pfeifft. Das war mir auch seeehr wichtig. Die Jungs konnten das perfekt. Meine Eltern auch - nur ich nicht. Also musste ich daran was ändern. Ich übte in jeder freien Minute. Immer wieder “Fffffffffff..fffffffff..ffffffff… Da kam nur kein Ton! Egal, Übung macht den Meister. Als meine Eltern mit uns eine Wanderung in die Berge gemacht hatten, setzten wir Kinder uns auf einen großen Felsen, um die Brote, die unsere Mutter morgens geschmiert hatte, zu essen. Einmal beißen, einmal pfeifen und wieder beißen. So ging es die ganze Zeit. Meine Brüder zeigten mir immer wieder neue Techniken mit Fingern und Zunge. Plötzlich brachte ich einen so schrillen Pfiff zustande, der obendrein auch noch mein erster war, dass alle zusammenzuckten. Ich selbst war auch erschrocken. Aber das tolle war, meinen Pfiff hörte ich gleich x-mal. Es gab Echo hier oben. Das war total schön. Ich versuchte es gleich noch mal und noch mal und noch mal …… Hurra, jetzt konnte ich es. Irre, das war doch ein sehr schöner Urlaub.

Als wir wieder zu Hause waren, habe ich als erstes im Freibad meinen Freischwimmer gemacht und schon bald den Fahrtenschwimmer. Heute heißt es, glaube ich, Bronze, Silber und Gold.

Ha, manchmal sind Brüder eben doch zu was gut………

CR

An den Liebenden......


Ich sitze hier in tiefer Nacht
und hab´ dabei an Dich gedacht.
Mir träumte, dass Du liegst bei mir,
ich vor, und Du hinter mir.

Die Fantasie geht mit mir rennen,
wie soll ich nur die Glut verbrennen?
Ich stehe auf und setz mich wieder
und spüre schmerzhaft meine Glieder.

Ich wünschte mir, Du seiest jetzt hier
und lägst beschützend hinter mir,
und würdest liebvoll mich umarmen
und Dich Meiner voll erbarmen.

Zur Guten Nacht und zum Genießen,
lassen wir uns beide fließen,
so lange bis zum Hochgenuss
und Jeder gibt sich einen Kuss.

Ich freu´ mich auf den nächsten Morgen,
weil Du mir nimmst, all meine Sorgen.
Schmerzen, seien sie noch so schlimm,
werden bei Dir verschwindend und gering.

Ich wünsche, dass es noch lange so bleibt,
sich einer am anderen die Nase reibt,
um zu folgen seinem Trieb
und zu sagen: ICH HAB DICH LIEB.

(c) Christiane Rühmann