Was kochen zu Weihnachten (Ähnlichkeiten mit der Geschichte sind tatsächlich Wahrheit, Weihnachten 2009)

Emmely erwartet ihre Kinder aus dem Schwarzwald zu Weihnachten bei sich in Köln. Endlich sollte sie ihr Enkelkind Jonas, der gerade mal 4 Monate alt ist, sehen. Sie freut sich unglaublich auf ihren Sohn, die Schwiegertochter, das Enkelkind und ihre Tochter Mona, die bei ihrem Sohn Tobi lebt, weil sie in Tübingen studiert. Die Geschenke hatte sie alle bereits besorgt. Ein puscheliges Schaukelpferd für Jonas, einen selbst gestrickten modernen Schal für Mona, Lukas, ihr Sohn erhielt einen Schlüsselanhänger mit einem Foto seines kleinen Sohnes, den sie mit einem Foto anfertigen ließ, das ihr die Kinder per email geschickt hatten. Lena, ihre Schwiegertochter, sollte ein Kochbuch erhalten, das Emmely von ihrer Mutter geerbt hatte. Selbst die Hotelzimmer hatte sie bestellt und bereits im Voraus bezahlt, weil ihre Wohnung zu klein war, um alle zu beherbergen. Alles war bestens vorbereitet, bis auf das Essen. Was wollte sie kochen? Was sollte sie kochen? Sie hatte keine Ahnung, was ihre Kinder mittlerweile an Gewohnheiten abgelegt hatten, oder wie sich in ihren Essgewohnheiten verändert hatten. Sie zu fragen, fand sie doof und einfaltslos. Also entschloss sie sich, das zu kochen, von dem sie glaubte, dass es allen schmecken würde. Emmely kaufte Rotkohl, allerdings nicht im Glas, sondern als ‚Kappes‘. Sie wollte ihn selbst zubereiten. Sie kaufte Kartoffeln, um Klöße selbst zuzubereiten, holte beim Schlachter Brühe, um eine geniale Soße zu ihren Braten perfekt kreieren zu können. Einen Tag vor Heiligabend begab sie sich an die Vorbereitungen. Sie kochte die Kartoffeln an, um sie später durchzudrehen, schnitt das Rotkraut, würzte es und ließ es sanft garen. Aber was war mit Fleisch? Was wollte sie für einen Braten dazu machen? Zu Knödel und Rotkraut passt alles: Ente, Rinder-, Schweine-oder Geflügelbraten. Nichts von allen Zubereitungsarten war ihr fremd, nur die Geschmäcker ihrer Kinder waren es auf einmal! Sie mochte nicht extra anrufen und nachfragen, also beschloss Sie, von allem etwas zuzubereiten. Am nächsten Morgen, der letzten Möglichkeit, sich mit Bedürfnissen zu Weihnachten einzudecken, begab sie sich zu ihrem Supermarkt. Der Markt, wo man ‚aldi‘ Dinge bekommt, die man zum Leben braucht, hatte bereits um 11.00 Uhr seine Truhen leer. Emmely zog weiter zum nächsten Discounter, wo man etliche ‚Penny´s‘ sparen kann, stellte jedoch fest, dass auch dort bereits gehamstert wurde. Nach etlichen Durchläufen sämtlicher Discounter in ihrer Umgebung, ließ sie ihre Not zuletzt im Einzelhandel landen. Dort erwarb sie dann letztendlich alles, was sie sich für ein Weihnachtsmahl mit ihren Lieben erstehen konnte. Teuer zwar, aber egal. Zufrieden fuhr sie nach Hause, legte das vielfältige Fleisch ein, setzte sich erschöpft auf die Couch. Zufriedenheit umgab sie. Was sollte jetzt noch das Fest vermiesen? Am Heiligabendmorgen stand Emmely rechtzeitig auf, um das Essen für den Abend vorzubereiten. Sie hatte am Vorabend bereits die kleine Nordmann-Tanne in ihren Ständer verfrachtet und liebevoll mit den Strohsternen, die ihre Kinder ihr vor x Jahren gebastelt hatten, die sie immer noch aufgehoben hatte, und mit einigen bunten Kugeln und Lametta geschmückt. Es machte sich in ihr eine Zufriedenheit breit, weil alles bestens vorbereitet war. Bald würden sie kommen! Ihre Lieben Kinder, Enkelsohn und Schwiegertochter. Bald war es 18 Uhr. Um diese Uhrzeit wollten sie eintreffen. Das Essen war fertig, der Tisch festlich gedeckt, die Geschenke liebevoll unter dem Baum platziert, das Essen auf dem Herd vorbereitet, die Musik leise angestellt. 19.00 Uhr – sie wurde langsam unruhig. Die Kinder waren noch nicht da. Na ja, kann ja mal sein, dass sie in einen Stau gekommen sind. Sicher fahren alle zu Weihnachten zu ihren Familien. Das verursacht schon mal Stau auf der Autobahn. 20.00 Uhr. Ihre Familie hatte sich noch nicht bei ihr gemeldet. Unruhig setzte sie sich ins Wohnzimmer und schaltete die Nachrichten ein. Eine schreckliche Nachricht ließ sie aufschreien. Auf der Autobahn war ein unglaublicher Unfall geschehen. Ein Falschfahrer hatte einen Massenunfall auf der Strecke verursacht, auf der ihre Lieben unterwegs waren. Emmely erlebte die unfassbarsten Bilder im Fernsehen, eines tragischen Unfalls und erkannte unter den Fahrzeugen, die die Kamera streifte, das Fahrzeug ihrer Kinder! Das war ein Irrtum und konnte nicht wahr sein!!!! Ihre Beine gehorchten nicht mehr und sie brach zusammen. Emmily wurde ohnmächtig. Stundenlang. Sie wurde erst wieder wach, als es laut an ihrer Tür klopfte, sie Rufe vernahm, die ihren Namen riefen. Sie erhob sich erschrocken vom Boden und begab sich zur Tür, ohne sich momentan der Situation bewusst zu sein. Der Rest, den die Beamten ihr erzählten, nahm sie nur unrealistisch wahr. Sie war thraumatisiert. Psychologen nahmen sich ihrer an. Lange Jahre hat sie gebraucht, um zu akzeptieren, was das Schicksal für sie bereit hielt. Heute kümmert sie sich um ‚Thrauma-kranke-Menschen‘, nachdem sie verstanden hat, dass man sich nicht zu viele Gedanken um nichtige Dinge, wie z.B. ESSEN, machen soll. Ihr Ratschlag an alle Menschen ist heute der: „Freut Euch, genießt die Momente, lebt Euer Leben und das in der Gewissheit, dass alles kommt, wie es kommen soll. Behaltet Erinnerungen, aber haltet nicht an ihnen fest! Gebt Eurem Leben eine neue Chance, eine neue Richtung, einen neuen Glanz! Kümmert Euch um wichtige Dinge – nicht um Braten, Braten oder Braten…..“ © Christiane Rühmann

Roland Kunze, der Mann für alle Fälle

Er ist ein Original im Höhendorf Ginsterdorf. Roland ist ein Alleskönner. Er repariert undichte Fenster in den alten Katen des Dorfes, wechselt Schlösser, repariert Dachrinnen und sogar Autos, ist Seelentröster, Ansprechpartner für alle Belange. Roland ist der Feixer, also ein echtes Original in seinem Dorf. Ginsterdorf zählt genau 698 Einwohner, hinzu kommen noch die 6 ungeborenen Kinder, die bald das Licht der Welt erblicken sollen. Merkwürdigerweise sind die Geburten alle im selben Monat ausgerechnet, sogar zeitgleich innerhalb ein und derselben Woche. Das gab es in Ginsterdorf noch nie! Darüber hatte sich nie jemand Gedanken gemacht… Natürlich kannte man sich hier persönlich. Es gab sogar zwei Bäckereien, die in sich nicht einmal eine Konkurrenz sahen, sondern sie betrachteten sich als Unterstützer der Dorfgemeinschaft und waren Freunde. Jeder half sich gegenseitig sogar aus, wenn es mal an Hefe oder Zucker mangelte. Einer rief den anderen an und fragte: „Haste mal 20 kg Mehl o. ä. für mich..?“ Es wurden Feste gefeiert, zu denen jeder etwas beitrug: Selbst gebackene Kuchen der Dorffrauen, Salate, Hans, der Fleischer spendierte zwei große Schweine und Bratwurste ohne Ende, Knud, der Schmied, hatte die drehbaren Spieße und die Grills geschmiedet, die Bäcker backten ihre Brötchen und Brote zu den Feiern, Jo (eigentlich Johannes), der in der nächsten Stadt ein Sportstudio betrieb, stellte seine Eventbühne mit dem notwendigen Equipment zur Verfügung, usw. usw. Pfarrer und Pastor dieser kleinen Gemeinde, die je eine kleine Kirche als IHR Gotteshaus betrachteten, standen bei diesen besonderen Events stets Arm in Arm schunkelnd am Tresen-Wagen der beiden Dorfkneipen-Besitzer Hannes und Heinz, die diesen gemeinsam betrieben, und knallten sich die Köpfe zu. Geistige sind halt auch nur Menschen… Der Zusammenhalt war also wirklich so ziemlich einmalig. Alles verlief an diesem Erntedankfest-Abend wie gewohnt und harmonisch, bis Karin über Wehen klagte. Kurz darauf beklagte Brigitte dasselbe. Es folgten zeitgleich Wehen bei Elvira, Monika und Elke. Das gesamte Dorf geriet in Aufruhr! Ein Krankenwagen musste her - aber woher so schnell 5 Krankenwagen anfordern? Alle in einem Krankentransport in die Klinik ins nächstgelegene 10 km entfernte Krankenhaus zu fahren, ohne, dass jede Einzelne von ihnen einen eigenen Anschnall-Gurt gehabt hätte, war zu riskant. Da kam Roland die Idee, sie alle gemeinsam in seinem Bully, der über 9 Sitze verfügte, zur Klinik zu bringen. Er sputete nach Hause, holte das Großraumfahrzeug, lud die geplagten Damen und die dazu gehörenden Väter in sein Auto und fuhr los. So ganz legal war diese Fahrt zwar nicht, aber es war halt ein Notfall. In der Klinik angekommen, waren alle Kreißsäle bereits vorbereitet. Man hatte sie zuvor telefonisch informiert. Leider hatte man nur drei von diesen zur Verfügung! Es wurde wirklich sehr knapp und ausgesprochen riskant! Karins Sohn erblickte bereits 10 Minuten nach ihrer Einlieferung das Licht der Welt. Kurz drauf bekam Elke ihr Zwillingspärchen und kaum später gebar Elvira ihre kleine Tochter, während Brigitte und Monika noch mit ihren Wehen kämpften. Aber auch ihre beiden Babys ließen nicht lange auf sich warten. Selbst die Hebammen waren mit der plötzlichen und unerwarteten Situation etwas überlastet. Bereits nach 90 Minuten lagen Jonas, Philip und Emely, Jasmin sowie Justin und Kimberly in den Armen ihrer Mütter und vermeidlichen Väter. Das war ja nochmal gut gegangen! Müttern und Säuglingen ging es gut. Überraschend war nur, sie sahen sich alle unglaublich ähnlich!! Merkwürdig war es schon, dass Roland, der Mann für alle Fälle, als Erster und Einziger seinen Bully zur Verfügung stellte, um die werdenden Mütter in die Klinik zu fahren. Fast schon, als sei er darauf vorbereitet gewesen – fast schon wie ein Vater! Er war halt eben ein Mann für alle Fälle! © Christiane Rühmann

Jung

Sie waren jung. Sie belogen und betrogen, sie schätzten und hetzten, sie nahmen und gaben, sie lebten und genossen, waren stets sehr unverdrossen, sie eilten und teilten, bis sie dann- in ihrem jetzigen ICH verweilten… © Christiane Rühmann

Heimat ist, wo PÜTT ist

Er hatte genug von den angestaubten grauen Fassaden der Siedlung. Das ganze Stadtviertel lebte vom Bergbau. Siggi, wie er hier von allen genannt wurde, lebte immer noch in dem Dachgeschoßzimmer mit Schräge und der primitiv zu handhabenden Dachluke. Er lag auf seinem Bett und starrte gegen die Decke. Eigentlich müsste er mal neu tapezieren, aber er hatte es satt, hier länger zu wohnen. Seit seiner Geburt bewohnte er bereits dieses Zimmer. Seine Schwester hatte ihres nebenan und sein Bruder gegenüber. Alles war so grau und trist. In jedem Zimmer hing ein Bildnis der „Heiligen Barbara“, der Schutzpatronin der Bergleute. Er kannte noch nicht einmal wirklich ihre Geschichte und was sie mit den Bergleuten verband, er wusste nur, dass sie sie, als der Berg sich öffnete, beschützt haben soll, als sie selbst auf der Flucht vor ihrem fürchterlichen Vater war. Und seither, so sagt es die Heiligenerzählung, beschützt sie alle, die den Berg betreten können und sich unter Tage aufhalten. Siggi dachte an seinen Vater, der an seiner Staublunge elendig verstorben war. Es war wohl das Schicksal vieler Bergleute. Er war Steiger und nur darauf bedacht, seine Familie glücklich zu machen. Dass er sie eigentlich unglücklich machte, war ihm wohl niemals in den Sinn gekommen, denn schließlich hatte er doch für alles gesorgt. Trotz Unterbezahlung hatte er es geschafft, seiner Familie eine Doppelhaushälfte zu ermöglichen. Die andere Hälfte bewohnte dessen Bruder Atze mit seiner Familie. Es gab kaum Platz für Spiele – aber es gab viel Platz für viel Herz! Das Wochenende verbrachten sie stets in ihrem kleinen Schrebergarten, gleich neben den Bahnschienen. Er war wie eine Oase, in der sie sich erholen konnten. Hier vergaßen sie ihre ewige Angst vor Grubenunglücken und die Geldnot wegen der ständigen Arzt- und Arzneirechnungen. Nun ja, es war doch irgendwie schön, wenn sie gemeinsam dort hin marschierten und Mutter Apfelkuchen oder „Muschipizza“, wie Onkel Atze frecherweise die Pflaumenplatte nannte, gebacken und alles in dem Bollerwagen verstaute, auf dem auch kurzfristig eine Kiste Bier parkte, in ihre Oase zogen. Die vorbeifahrenden Güterzüge nahm niemand mehr so wirklich wahr. Sie gehörten einfach zu aller Tagesablauf dazu. Man sprach halt etwas lauter, wenn einer vorüber donnerte. Auch sonst war es ja gar nicht so übel hier. Gleich um die Ecke befand sich ein Kiosk, wo es außer den Zigaretten, Zeitungen und einer Flasche Bier auch noch immer ein nettes Pläuschken gab. Daneben befand sich ein altes Ziegelgebäude, hinter dessen poröser Fassade Siggi ein Geheimversteck hatte. Hier hatte er Briefe versteckt, die dem Leser seine heimliche Liebe zu Giesela preisgeben würden. Auch einen Wimpel hatte er dort deponiert, von seinem Verein, dem FC Schalke 04. Zu Hause konnte er ihn nicht aufbewahren, weil sämtliche Freunde und seine Familie Fans des VFL und der BORUSSIA waren. Er war nicht stark genug, zu seinem Verein zu stehen, aber heimlich – heimlich betete er seine Favoriten an. Ja, und nun, nach Vaters Krebstod war er das Familienoberhaupt und hatte dafür zu sorgen, dass Geld in die Kasse floss. Aber er war nun mal kein Bergmann, wie sein jüngerer Bruder oder sein Onkel. Selbst seine Schwester arbeitete auf der Zeche, allerdings in der Verwaltung. Siggi war anders. Er suchte neue Herausforderungen, wollte die Welt sehen, seinen geistigen Horizont erweitern und mehr Geld verdienen, als er es hier auf´m Pütt könne. Er wollte einfach raus aus dem Ruhrpott. Daher hatte er sich bei einer Baufirma beworben, die in Japan nach europäischem Muster Wohnsiedlungen bauten. Er hatte nach Abschluss der Schule Maurer gelernt und war mittlerweile Maurermeister, also für die Baufirma bestens geeignet. Das Vorhaben sollte zwei Jahre dauern und würde ihm außergewöhnlich viel Geld bringen, das er natürlich seiner Familie zu Gute kommen lassen würde. Was hatte er hier denn auch für eine Zukunft? Er musste es nur noch irgendwie seiner Familie beibringen. Nach seiner Offenbarung bei einer Familiensitzung, zeigten jedoch alle mehr Verständnis für seine Entscheidung, als er angenommen hatte. Das erleichterte ihm den Abschied natürlich ungemein. Er packte seine Sachen und folgte dem fast unwiderstehlichen Angebot. Die Zeit verging und sie hatten eine Menge Häuser in Koshido erbaut. Er befand sich bereits seit etwas mehr als einem Jahr hier. Die Baufirma hatte gute Arbeit geleistet und aus diesem Grund weitere Aufträge in Japan erhalten. Er erhielt bei bereits allerbester Bezahlung das Angebot, weitere zwei Jahre hier zu verbringen und den Aufbau voran zu treiben. Sein Lohn sollte weiter aufgestockt werden und darüber hinaus konnte er jedes Vierteljahr einmal nach Hause fliegen. Er stand vor einer neuen Entscheidung. Seine Gedanken kreisten und waren im Moment genau so verstaubt, wie die Fenster in der Umgebung der alten Zeche in seiner Heimat. Je mehr er nachdachte, umso klarer wurde es in seinem Kopf und sein Entschluss immer deutlicher. All das, vor dem er geflüchtet war, wurde zu einer Schlinge, die ihm den Hals zuschnürten. Ihn plagte Heimweh! Ihn, den Revolutionär, den Ausreißer, der vor der Realität davon gelaufen war! Wie mochte sich seine Mutter wohl fühlen, ohne ihn? Was war mit seiner kleinen Schwester, dem Bruder und seinen Kumpels? Was war sein Leben hier überhaupt ohne seinen Pütt? Er war in dem einen Jahr, seitdem er hier war, noch nicht zu Hause gewesen. Briefe, die sie wechselten, brauchten sehr lange und immer beteuerten ihm alle, dass es ihnen gut gehe, zu Hause. Auf einmal liefen Tränen ohne Aufhalt über seine im Lauf der Zeit fahl gewordenen Wangen. Er ließ ihnen ihren Lauf und begann sogar, laut zu schluchzen. Genau da fasste er den Entschluss: Er musste zurück , zurück nach Bottrop in die Zechensiedlung. Er sehnte sich plötzlich nach den Reibereien, die es von Zeit zu Zeit gab, nach den Frühschoppen im Revier, dem Getratsche seiner Familie, Freunden und Nachbarn. Die Fremde war doch nichts für ihn, das wusste er nun. Sie war einfach nicht seine Welt…. Mit einer Notlüge familiärer Art, entließ die Gesellschaft ihn schließlich nach seinem Entlassungsersuchen, vorzeitig aus dem Vertrag, wenn sie ihn auch nicht gerne gehen lassen wollten. Er hatte sogar noch eine Sonderzahlung zu erwarten, weil er mit großem Einsatz für das Unternehmen tätig gewesen war. Erst, als er knapp eine Woche später in der Straßenbahn zur Zeche saß, hellte sich sein Gesicht auf. Alles sah noch genau so aus, wie vor einem Jahr. Niemand wusste von seiner Rückkehr, er wollte alle überraschen. Um selbst erst einmal ‚anzukommen‘, war er drei Stationen vor zu Hause ausgestiegen. Er schulterte seinen Seemannssack und legte den Rest des Weges zu Fuß über die Aegidisstrasse zurück. Wie in Trance stieg er also aus der Bahn, schaute entlang der immer noch rötlichgrauen Häuserfassaden und bemerkte erst jetzt, wie schön Bottrop doch war. Er näherte sich dem alten Ziegelgebäude mit seinen losen Steinen, entfernte, nachdem er sich vergewissert hatte, dass ihn niemand beobachtete, den immer noch losen Block und stellte fest, dass seine Geheimnisse noch vorhanden waren. Er griff in die Jackentasche und zog das Flug- und Bahnticket heraus und legte diese seinen Schätzen bei. Dann verschloss er mit dem Ziegel wieder seinen Geheimbunker und machte sich lächelnd auf den Heimweg. Nur noch ein paar Meter, dann war er daheim. Er klingelte. Eine alte, eingefallene Frau öffnete ihm die Tür – es war seine Mutter. Sie blickten sich nur kurz in die Augen und fielen sich dann in die Arme. „Willkommen zu Hause, mein Junge. Ich wusste, dass Du kommst, habe es gespürt“. Siggi folgte ihr in die Stube und stellte fest, dass sie ihn tatsächlich bereits erwartet zu haben schien. Es sah jedenfalls so aus. Es stand „sein“ Kaffeegedeck auf dem Wohnzimmertisch, und dass es nach frisch gebackenem Apfelkuchen roch, hatte er bereits auf der Straße vor dem Haus wahrgenommen. Liebevoll hatte sie alles zurecht gestellt. Den Kuchen hatte sie bereits in kleine handliche Stücke geschnitten und der frisch aufgebrühte Kaffe wartete in einer Kanne auf einem Stövchen darauf, bald getrunken zu werden. Mutter hatte ihn also tatsächlich erwartet. Tag für Tag glaubte sie an seine Rückkehr, nur heute war sie sich sicher, dass er kommen würde. Endlich war er wieder daheim auf dem Pütt! Wie gut das tat…. Kurz nach seiner Heimkehr erhielt er eine gut bezahlte Stelle als Meister in einem Bauunternehmen. Er begann sogar, seine Gedanken, Empfindungen und Emotionen niederzuschreiben. Er verfasste sie in kleine Kapitel, die er in dem Püttblättchen, das wöchentlich erschien, veröffentlichen konnte. Sie beschrieben sein Erlebtes, den Fortgang und die Heimkehr in sein geliebtes Bottrop. Der Titel seiner Veröffentlichungen lautete: HEIMAT IST, WO PÜTT IST …….. © Christiane Rühmann (20.03.2010)

Enkelins Storry Nummer 1

Wir sitzen während der Kommunionszeremonie in einer Kirche in Hamburg-Harburg. Die Familien, Angehörigen und Freunde der Kommunions-Kinder sitzen auf den signierten Bänken und warten auf die Zeremonie. Musikalische Beiträge von Kindern und Jugendlichen verkürzen die Wartezeit. Ein Jeder schaut in das Programm, das vor ihm liegt. Alle studieren die Beiträge und prüfen, ob sie selbst der Liedtexte noch mächtig sind. Langeweile nur für die kleinen Begleiter, die Geschwisterkinder oder die kleinen Kinder der Angehörigen und Freunde. So auch für meine kleine Zuckerschnecke mit ihren zwei Jahren. Sie hat alles registriert. Ich sah ihren kleinen Kopf rauchen vor lauter Fragen. Wenn die Kinder und Jugendlichen ihre musikalischen Beiträge vorbrachten, begann sie zu tanzen und zu klatschen, allerdings nur auf meinem, dem ihrer Mutter, ihres Vaters, oder dem irgendeines Bekannten Schosses. Musik macht ihr eben sehr viel Freude. Das Herumlaufen der Kleinen und auch Großen, wurde durch den sehr sympathischen afrikanischen Priester untersagt. Das Verlassen des Kirchengebäudes war ebenso nicht erwünscht, was ich persönlich nicht verstehen konnte, weil man stattdessen die Unruhe der Kleinstkinder ertragen bzw. regeln musste. Gut – er wollte es so, und trotzdem konnte sich zwangsläufig niemand daran halten, weil Kinder nun mal Kinder sind! Sie plappern laut, haben Hunger, weinen, kreischen und sind unzufrieden auf den steifen Plätzen, auf denen sie 1 ½ Stunden stumm verharren sollten. Ich kenne das aus anderen Kirchengemeinden anders! Egal! Sie war dreimal vor der Tür und hat sich die Beine vertreten und sich auf dem nebenan liegenden Spielplatz abreagieren können, so wie übrigens auch andere Besucherkinder der Heiligen Messe. Als sie leise bei Papa auf dem Arm wieder herein kam, wollte sie auf meinen Schoß. Ich flüsterte ihr ins Ohr, dass sie mal dahin oder dorthin schauen sollte, um sie abzulenken von ihrer Unruhe. Auch hatte ich, wie alle Eltern der lieben Kleinsten, zwei Bilderbücher in die Leiste gepackt, wo sonst nur Gesangbücher liegen. Sie hatte also die Möglichkeit, sich damit abzulenken. Bonbons befanden sich ja in der Tasche einer Bank-Nachbarin… Das war für die kleine Maus auch sehr wichtig und die forderte sie auch von Zeit zu Zeit. Doch dann schaute sie, auf meinen Fingerzeig hin, auf das überdimensional große Kreuz hinter dem Altar, an dem Jesus in erbärmlicher Weise angenagelt war. Ich bemerkte ihre Blicke. Selbst als Erwachsene fiel mir diese deutliche Abstraktion auffällig ins Auge, obwohl meine `abgebrühten` Augen dieses Bildnis mittlerweile gewohnt sind. Es gehört zum Christentum dazu und ist jedoch immer wieder erschreckend – auch für mich. Nach einer kurzen Weile, als sie wohl registriert hatte, was dort dargestellt war, sagte sie ganz laut in einer Sprechpause des Priesters: „ Oma, guck mal, DER ARME ! „ Ohnmächtig musste ich wahrnehmen, dass die Katholiken merkwürdigerweise kein Verständnis für ihre überaus laute und für mich durchaus lustige Aussage, hatten. Als ich mich verstohlen in der Runde umschaute, bemerkte ich nur böse Blicke. Die Menschen anderer Konfessionen beschmunzelten den Ausruf meiner kleinen Zuckerschnecke, weil ich selbst auch Kindermund sehr begrüße! Ich bin jedenfalls stolz auf die Wahrnehmungsfähigkeit meiner kleinen zweijährigen Enkelin. Alle anderen Meinungen sind für mich nichtig und vollkommen unverständlich. „Man kann nicht früh genug mit dem Begreifen beginnen“ (© Christiane Rühmann) Gott oder Jesus hätte diese Bemerkung meiner Enkelin sicherlich gefallen. © Christiane Rühmann (19.05.2014)

Fritzchen

Jeden Tag sehne ich mich nach Dir. Ich schlafe nicht ohne Dich ein. Mir gefällt Deine Form, Deine Wärme, Deine Nähe. Du bist mir so vertraut. Du darfst mich begleiten, Du allein darfst nachts in meiner Nähe sein, Ich kann nicht ohne Dich leben - mit Dir werde ich alt! Mein geliebtes Kissen - Mein „FRITZCHEN“. © Christiane Rühmann

HONDI - seine Gedanken

HONDI ist das liebenswerteste und treueste Auto, dass Ihr Euch vorstellen könnt. Auto-Alter sind gleichzustellen mit ‚Hundejahren‘, na ja, so irgendwie, also sind sie leistungsmäßig gleichzustellen mit einem Welpen, wenn sie bereits 16 Jahre oder mehr auf dem Puckel haben. So ergeht es unserem HONDI, einem kleinen blauen Honda Civic mit 55 kw/79 PS und einem Benzinmotor, dem lange Jahre nichts fehlte. HONDI stand traurig bei einer Autowerkstatt und glaubte, dass sich niemand für ihn interessieren würde, bis eine alte lustige Witwe kam, und ihn gegen einen 6-Zylinder und 178 kw-starken MB eintauschte. Warum tat die Frau das? HONDI beäugte sie mit einem lachenden und einem weinenden Auge, denn die Frau nahm ihn zunächst zur ‚Probe‘ mit, mit einem roten Kenzeichen. Folgendes geht HONDI durch den Zylinderkopf: „Hurra, da ist ja jemand, der mich mag! Wie jetzt? Nur zur Probe? Oh, da muss ich mich ja anstrengen! Was, sie will mich eintauschen gegen einen 6-Zylinder? Kann ich kaum glauben! Hu, da muss ich mich ja anstrengen und mich von der besten Seite zeigen! Ich glaube jetzt nicht, was ich gerade vom Monteur gehört habe: „Der kleine Honda ist ja noch blutjung und hat erst 28 Tausend Kilometer gelaufen. Den Alten lassen wir über die Klippe springen!!!“ Hilfe! Für mich soll jemand sterben? Hm, ich verstehe es einfach nicht! Egal, Hauptsache, ich muss jetzt nicht mehr hier rumstehen und blöde grinsen, damit mich jemand kauft. Ist ja eh schon so anstrengend, sich ständig der Sonne auszusetzen. Ich bin blau und kann stehen, stehen und stehen und werde trotzdem nicht braun! …War ein Scherz… Aber mal echt, ich würde schon wieder gerne mal auf die Piste gehen… Oh, da kommt die Frau und holt mich ab, das ist fein! Auaaaa, was machen die denn da? Achso, die schrauben das komische rote Kennzeichen an… Uuups, hat sie mich abgewürgt? Aber sie scheint ganz nett zu sein! Ich helfe ihr auf die Sprünge! Na, siehste, geht doch!!! WOW, cooles Feeling!! Sie kann ja fahren und hat wirklich was drauf! Ich komme zu dem Entschluss, dass sie schon sehr zu mir passen würde! Ob sie auch so denkt? Oooh, ich beginne langsam zu schwitzen… „Huhuuuu, Du, Frau, gefalle ich Dir?“ Merkwürdig, ich kann Frau’s Gedanken hören: „He HONDI, hast Du zu mir gesprochen?“ „…äähh, ja, das habe ich. Kannst Du mich etwa verstehen? Wieso? Ich rede sonst immer nur mit Metall, Alu und normalem Blech. Du bist aber doch so ein Teil, was wir unter unseren Kreisen „Weichei“ nennen. Wieso kannst Du „autoisch‘‘ sprechen und verstehen?“ „Ach weißt Du HONDI, das ist wie bei uns Menschen. Man muss nur zuhören und verstehen! Ich habe Dich und Deine Gedanken verstanden. Mach Dir keine Sorgen. Du bist ein prima Kerl und Du gefällst mir! Du bist jung, dynamisch und hast noch nicht sehr viele Kilometer gelaufen. Du siehst chic aus und passt wohl in meine Geldbörse.“ „Wie jetzt? Willst Du mich wirklich haben? Du kennst mich doch gar nicht!“ „Stimmt. Darum nehme ich Dich ja auch nur zur Probe mit.“ „Heißt das, ich darf mir Hoffnung machen, dass ich bei Dir bleiben darf…schnief?“ „Ja HONDI, das heißt es. Wenn Du meinen Anforderungen entsprichst, darfst Du bei mir bleiben.“ So hatte die Frau damals gesprochen. Oh, hatte ich mich in sie seit dem ersten Date verliebt!!! Sie war so zärtlich, sportlich, energisch, geschickt und liebevoll!!! Ich mochte sie gleich und sie…??? Wir verbrachten 5 tolle und wirre Tage. Noch war nicht klar, ob wir ein Paar werden würden. Ich bekam immer nur am Rande mit, dass ich ‚eingetauscht‘ werden sollte, gegen den starken Typen. Man war sich wohl lediglich über den Preis nicht einig. So wartete ich. Ich wartete und hoffte. Meine sonst so niedlichen Scheinwerfer verzerrten sich zur Nacht oftmals traurig. Ich mochte die Frau, die mich gefahren hatte. Warum holte sie mich nicht? War ich nicht nett genug zu ihr? Ich habe mich doch so angestrengt! Ich ging wieder traurig schlafen und glaubte nicht mehr daran, dass ich diese nette Frau jemals wiedersehen würde, doch dann stand sie plötzlich vor mir: „He, HONDI. Kennst Du mich noch?“ Mir begann das Füllwasser aus der Scheibenwaschanlage zu laufen. „Chris, bist Du es wirklich? Ich dachte, Du kommst nie mehr!“ Chris hatte sich für mich entschieden und nahm Platz auf ihrem Sitz. Sie kraulte mich unter meinem Lenkrad, streichelte meine Armaturen und meinte zärtlich wispernd: „Jetzt gehörst Du mir, Kleiner!“ Wäre ich nicht von Natur aus blau gewesen, wäre ich vermutlich ganz „schamviolett“ geworden. Das verkniff ich mir jedoch. Sie zuppelte mir kraulend unter dem Lenkrad rum, streichelte mir über meine Armaturen und sprach zu mir. Wie könnte ich sie jemals im Stich lassen? Ich war damals 28.000 Kilometer jung. Ich träume heute noch von unseren Anfangszeiten… Heute, nach annähernd 12 Jahren wilder Ehe, blicke ich auf eine wilde Zeit zurück. Wie oft habe ich mit ihr am Abgrund gestanden? Ich meine das jetzt echt! Wir haben in den Alpen Wege erklommen, auf denen es keine Wendemöglichkeit mehr gab. Mir war schon ganz schwindelig, aber sie hat es immer wieder geschafft, mich auf einer ‚Bierdeckel‘ gleichenden Fläche umzudrehen, mir die Schönheiten der Natur zu zeigen, mich stark fühlen zu lassen und zu zeigen, dass sie mich wirklich lieb hat, dass ich HONDI bin. Dafür habe ich ihr gezeigt, dass ich für die zahlreichen Umzüge ihrer Ableger Platz bieten kann, welchen niemand hinter meiner smarten Fassade vermutet. Ich bin irgendwie sehr stolz auf mich! „Das kannst Du auch, mein treuer HONDI“! „Wie jetzt? Hast Du mich schon wieder verstanden?“ „Ja, das habe ich und werde es auch immer tun!“ Ich traue jetzt gerade mal wieder meinen Zylindern nicht! Sie versteht mich tatsächlich! Sie versorgt mich mit Öl und Benzin, wie eine Mutter ihr Baby mit Milch! Ich kann mir ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen. Ich habe jetzt in den vergangenen, fast 12 Jahren, für sie 305 Tausend Kilometer geleistet, also insgesamt 333.000 und sie wird einfach nicht müde! Dann werde ich es auch nicht!!! „Danke HONDI, das habe ich gehört! Ich werde wirklich nicht müde, meine Zeit mit Dir zu verbringen. Ich liebe Dich!!!“ Haaaach, ist das schöön. Ich war noch nie so verliebt! Psst, unter uns gesagt, ich glaube, sie war es auch noch nie so sehr, wie in mich, und ich bin HONDI… © Christiane Rühmann

Der kleine Osterhase

So, mein Sohn, jetzt ist es bald soweit. Ostern steht vor der Tür und wir haben eine große Aufgabe. Wir werden viele Kinder glücklich machen, mit unseren Ostereiern. Du bist jetzt fast ein Jahr und nun darfst Du helfen, unsere bunten Ostereier zu verteilen. Muckel war unsicher, traute sich jedoch nicht, seinen dominanten Vater nach weiteren Details zu fragen. Er, Muckel, hatte seine Lebenszeit mit herumtollen und Spielen mit seinen Kameraden verbracht. Das, was seine Mum und sein Pa immer um dieselbe Jahreszeit gestalteten, war bisher an ihm vorüber gegangen. Er hatte registriert, dass sie unglaublich viele Hühnereier bemalten. Manche Eier waren ein wirkliches Wunderwerk. Muckel seufzte. Was sollte er wohl dazu beitragen, um den Eltern zu helfen? Er begab sich mit Papa und Mama in die Osterwerkstatt. Bislang hatte ihn das alles nicht interessiert, was sich in ihr befand, doch diesmal wurde sein Interesse geweckt. „Papa, was sind das alles für Stöcke mit den Borsten oben dran?“ „Das sind Pinsel, mein Junge“. „Pinsel? Wozu braucht man sie denn? Sie sind ja auch noch unterschiedlich dick. Was hat das auf sich?“ „Weißt Du Muckel, Ostern ist ein großes Fest. Dazu benötigen die Zweibeiner bunte Eier, die wir bemalen und ausliefern. Je bunter und kreativer ein Ei bemalt ist, desto lieber haben es die Menschenkinder. Sie werden in Gärten unter Blumen, Sträuchern und Bäumen versteckt, damit die Menschenkinder sie suchen sollen. Mit diesen unterschiedlich starken Borstenpinseln können wir die schönsten Dinge auf ein Ei malen. Willst Du es mal ausprobieren?“ Muckel war beeindruckt. Noch nie hatte er bemerkt, wie wichtig der Beruf seines Dad´s als Eiermaler war. Die Kunstwerke dann auch noch ausliefern zu dürfen, war wohl das Größte, was im Leben eines Hasen passieren konnte. Er müpfelte begeistert mit seiner Hasenschnute, nochmal und nochmal. „Du meinst, ich darf auch ein Ei bemalen? Ja denkst Du denn, dass ich das kann?“ „Sicher kannst Du, Du bist ja schließlich mein Sohn!“ Vater Hase lachte laut. Muckel begann, einen dünnen Pinsel in die vielfältigen Farben zu tauchen. Vorsichtig streifte er die überflüssige Farbe ab. Er begann, eine Kontur auf ein Ei zu malen. Mit hochrotem Kopf stellte er fest, dass sein erster Versuch gar nicht mal so schlecht war. Es machte ihm jetzt Spaß und so begann er, als die Konturen getrocknet waren, diese farbig auszumalen. Er war eifrig bei der Sache und seine kleine Hasenzunge glitt langsam über seine kleinen Hasenlippen hin und her. Sorgfältig mischte er die Farben, um einen natürlichen Effekt zu erhalten. Papa Hase beobachtete ihn genau bei seiner Tätigkeit und blinzelte ab und zu über seine Brille hinweg zu seinem tüchtigen Sohn. Er erkannte sehr bald, dass Muckel Talent hatte. „Zeigst Du mir Dein Ei, wenn Du fertig bist, Muckel?“ „Ja, Papa. Ich bin schon so weit. Komm schauen, ich bin ganz stolz!“ Papa Hase erhob sich von seinem Hocker und ging zu Muckels Arbeitsplatz. Er stieß einen Schrei aus, so laut, dass Muckel erschrak. „Muckel, das ist ja ein wahres Kunstwerk! Du bist ja richtig begabt! Damit wirst Du den Junior-Eier-Malwettbewerb gewinnen! Großartig!“ Von seinem Geschrei aufgeschreckt, kam Muckels Mama aus der Küche gestürmt: „Was ist denn hier für ein Lärm?“ „Schau mal, was mein Sohn hier für ein wunderbares Ei kreiert hat! Er ist ein wahrer Künstler!“ „Wow, das ist ja wirklich ein Kunstwerk! Aber wieso eigentlich DEIN Sohn, häh? Muckel ist MEIN Sohn! Das Kreative hat er von MIR!“ „Mama, Papa, hört auf zu streiten! Gefällt es Euch wirklich so sehr?“ Ja, das tat es. Überwältigt und stolz nahmen sich die Eltern bei den Händen und tanzten durch die Wohnung. Muckel verstand seine ausgeflippten Eltern nicht mehr so wirklich. „Könnte mir bitte mal jemand erklären…..“, begann er zu fragen, als seine Eltern ihm den Wert seines allein kreierten Ei´s erklärten. Muckels Ei wurde beim Eier-Mal-Wettbewerb ausgestellt – und gewann!! Warum, wurde ihm erst viel später bewusst. Er hatte ein Ei kreiert, an dessen Bild sich bereits viele Hasen vorher probiert hatten. Niemand war es gelungen, ein EI DES KOLUMBUS zu gestalten. Muckel hatte es geschafft! Er schuf Amerika mit winzig schmalen Strichen auf einem kleinen Hühnerei, Schiffe, die den Ozean überquerten und einen überglücklichen Kapitän, der die Arme zum Himmel streckte, als er den amerikanischen Boden betrat. Er hatte Koordinaten gezeichnet und eine Weltgeschichte dargestellt, die kaum jemand vor ihm auf ein Papier, geschweige denn, auf ein Hühnerei gezeichnet hatte. Es war das schönste Ei der Saison geworden. Mit dem Erlös aus dem Sieg dieses Malwettbewerbes, machte sich Muckel ein Jahr später selbstständig. Er eröffnete eine Künstler-Ei-Werkstatt und beschäftigte viele Junghasen. Sie konnten bei und von ihm lernen. Die Kreationen seiner Werkstatt sind mittlerweile auf der ganzen Welt berühmt und geschätzt. „Muckels Werkstatt“ stellt die schönsten und kreativsten Eier der Welt her. Wenn Du ein wunderschönes Ei zu Ostern findest, ist es sicherlich von ihm… © Christiane Rühmann (Kindergeschichte April 2014)

Die fliegende Katze

Nach dem Tod ihres Vaters erhielt Laura die Zusage von mir, sich ein Kätzchen auf dem Bauernhof aussuchen zu dürfen. Ihre ältere Schwester besaß bereits seit zwei Jahren einen eigenen Kater nur sie hatte kein eigenes Tier. Mit ihren 8 Jahren war sie von der Reife her durchaus in der Lage, sich um ein Tier kümmern zu können. Also fuhr ich mit Laura auf den nahe gelegenen Bauernhof, um ein niedliches Kätzchen auszusuchen und mit nach Hause zu nehmen. Es würde ihr wohl auch über den plötzlichen Verlust ihres Vaters hinweg helfen. Aus allen möglichen Schlupflöchern lugten kleine niedliche Fellnasen hervor. Schwarz-weiße, bunte, braun getigerte oder rot getigerte. Tollpatschig kletterten sie über wackelige Holzstapel, überschlugen sich dabei oder jagten sich gegenseitig unter und über landwirtschaftliche Maschinen. Der freundliche Landwirt wollte uns dabei behilflich sein, ein kleines Tigerkätzchen einzufangen, das Laura sich ausgesucht hatte. Er wartete einen günstigen Moment ab, von dem er glaubte, das kleine wuschelige Knäuel greifen zu können. Doch, das hatte er halt eben nur geglaubt. Blitzschnell war das kleine Tier auf seinen Samtpfötchen ihm wieder durch die Finger geschlüpft. Laura wollte ihm natürlich helfen, aber auch ihr gelang es nicht, das Kätzchen einzufangen. Geduld war also gefragt, und die hatte das Mädchen nicht. Nach einer halben Stunde Hetze und Treiberei, war es dem freundlichen Landwirt dann doch gelungen, eins der kleinen Streuner einzufangen. Allerdings war es nicht das Kätzchen, das Laura sich ausgeguckt hatte, aber mittlerweile war es ihr auch egal. Die kleine Tigerin hatte dem Mann bereits ordentlich zugesetzt. Blut rann über seine kräftigen Hände, die jedoch den kleinen wilden Körper sacht umschlossen und nicht mehr los ließen. Behutsam setzte er das Tier in den von Laura mitgebrachten Transportkäfig, schloss diesen zu und umwickelte seine blutende Hand mit einem Taschentuch. Er tat uns leid. „Tut es sehr weh?“ Laura war schon ein wenig besorgt. „Nein nein, es geht schon. Pass nur auf, dass sie mit Dir nicht dasselbe macht. Lass sie am besten erstmal einige Tage hinter Gittern, bevor Du sie rausholst. Das wird ihren unglaublichen Willen brechen.“ Laura durfte die Transportkiste, aus der es laut fauchte, selbst zum Auto tragen. Brav bedankte sie sich bei dem Landwirt, der ihr noch Glück wünschte. Das kleine Mädchen befolgte seinen Rat und öffnete die Türe des Käfigs nur, um ein Schälchen mit Futter und Wasser hinein zu stellen. Dabei randalierte und fauchte die kleine Stubentigerin so sehr, dass Laura begann, sich vor ihr zu fürchten und schnell das Törchen wieder verschloss. Langsam wurde sie traurig und glaubte nicht mehr daran, dass „Lady“, wie sie die Katze inzwischen nannte, jemals zahm werden würde. „Du musst nur Geduld haben“, erklärte ich ihr und liess meine Tochter bewusst die Käfigarbeit verrichten, weil es ja ihr Tier sein und Laura für Lady Bezugsperson werden sollte. Am viertenTag, als Laura wieder Futter auffüllen wollte, verhielt sich das Tier total ruhig. Sie streckte vorsichtig Lady ihre kleine Hand entgegen, und siehe da, Lady ließ sich streicheln. Nun war es also so weit. Überglücklich holte Laura Lady aus ihrem Gefängnis, nahm sie sogleich mit in ihr Zimmer und natürlich in ihr Bett. Schon begann die kleine Tigerin, sich an das Mädchen anzuschmiegen, ja sogar zu schnurren. Fortan sah man beide nur noch im Doppelpack. Katze folgte Kind und Kind folgte Katze. In Wirklichkeit kam Lady mir überhaupt nicht wie eine Katze vor. Ich hatte das Gefühl, man konnte sich mit ihr unterhalten. Sie antwortete auf jedes Wort mit einem freundlichen „Miau“, wenn man sie direkt ansprach und sie dabei ansah. Es war schön, Laura wieder einigermaßen glücklich zu sehen. Wenn sie nicht in der Schule war, waren die beiden unzertrennlich, auch nachts. Lady kroch unter Lauras Bettdecke und fühlte sich sichtlich wohl. Nach drei Jahren hatten wir beschlossen, uns eine kleinere Wohnung zu nehmen, weil die große Vier-Raum-Wohnung zu teuer wurde, und ich den Zickenalarm meiner Töchter nicht mehr ertragen konnte. Ich hatte beschlossen, die Ältere meiner Töchter aus dem Nest zu schubsen, und ihr eine eigene Wohnung anzumieten. Aus gesundheitlichen Gründen war ich nicht mehr in der Lage, den häufigen Eskallationen der Mädchenkriege gewachsen zu sein. Ich brauchte meine Kräfte für die laufenden Chemotherapien, Rehas und die weiteren Operationen. So zogen wir also alle um. Linda bezog ihr neues Nest nur 800 m von Laura und mir entfernt unter dem Dach. Die Jüngere und ich zogen ebenfalls unters Dach in eine zweieinhalb Zimmer-Wohnung. Auch die Katzen mussten sich an ihr jeweiliges neues zu Hause gewöhnen. Lauras großes Zimmer hat zwei riesige Gaubenfenster. Es war Sommer und so standen in unserer Dachwohnung sämtliche Fenster Tag und Nacht offen. Lady genoss das sehr. Sie erfreute sich an dem Anblick der an ihr in Augenhöhe vorbei fliegenden Vögel. Wachsam verfolgte sie mit ihren großen kugelrunden Augen den streunenden Kater in der benachbarten parkähnlichen Anlage, der sich auf Beutezug befand. Ich sah jedesmal, wenn ich während meiner Hausarbeit einen Blick in Lauras Zimmer warf, auf Ladys Rücken. Sie konnte stundenlang auf der Fensterbank sitzen. Nie hatte sie jemals versucht, sich übers Dach zu schleichen. Plötzlich kam Wind auf. Gewitter war angesagt und ich begann, zunächst im Bad das Fenster zu schließen. Ich begab mich weiter in Lauras Zimmer und musste hilflos mit ansehen, wie sich die Fensterflügel schnell zu schließen begannen - zu schnell! Der Durchzug - au Backe! Das durfte jetzt doch nicht wahr sein: Laaaiiidyyyy….. !! Und weg war sie !! Mir wurde heiß und kalt. Ich lief zum Fenster und schaute übers Dach, konnte das Kätzchen aber nirgends entdecken. Ich rief ihren Namen, in der Hoffnung, sie würde antworten um zu sagen: Ich bin hier, mir geht es gut, es ist nichts passiert. Schockiert lief ich die Treppe bis ins Erdgeschoss, rannte ums Haus und rief: “Lady, Lady….“ Nichts!!! Was würde Laura wohl sagen, wenn sie aus der Schule kam, und ich ihr beichten musste? Ich fühlte mich recht unwohl bei dem Gedanken daran. Später, als die Kleine aus der Schule gekommen war, und ich ihr die missliche Geschichte erzählte, brach sie in Tränen aus. Sie machte mir den Vorwurf, nicht genügend aufgepasst zu haben und Schuld daran zu sein, wenn Lady jetzt tot sei. Bis es fast dunkel war, hielt sie Ausschau im Garten und Umgebung, aber es gab kein Lebenszeichen. Laura hasste mich! Zumindest von jetzt an. Sie mied mich und sprach nicht mehr mit mir. Sie war sehr traurig und verstand das Leben nicht mehr. Mir brach das Herz, das alles zu beobachten und ihre Ignoranz zu spüren. Dann plötzlich nach drei Tagen, es war immer noch sehr heißes Wetter, hörte Laura in ihrem Zimmer ein zartes Miauen und rief voller Freude: „Mama, ich habe Lady gehört! Sie lebt!“ Aber wo kam das Miauen her? Wir stellten uns beide an Lauras Zimmerfenster und riefen, und immer bekamen wir Antwort, konnten allerdings nicht feststellen, von wo die Hilferufe stammten. Eine Nachbarin aus dem Nebenhaus, ebenfalls unter dem Dach lebend, hatte unsere Unternehmungen wahr genommen. Seitdem hielt sie ebenfalls Ausschau. Plötzlich bewegte sich etwas in der hohen Fichte, die nahe der Hauswand stand. „Da ist sie!“, rief Laura. „Lady sitzt in dem Baum!“ Tatsächlich! Hilflos und ängstlich saß ihr kleiner Körper auf einem Zweig, scheinbar unfähig, sich zu bewegen. Die hilfsbereite Nachbarin fuchtelte mit einem langen Besen in Richtung Baum, in der Hoffnung, die Katze würde den Weg über den Stiel zu ihr finden, aber das gefiel Lady scheinbar absolut nicht. Laura lief nach unten, zurückrufend: „Ich klettere auf den Baum und hole sie!“ Nach etwa einer halben Stunde hatte meine Tochter es geschafft, ihren kleinen Liebling aus dem Gezweig zu locken. Stolz und überglücklich kam sie mit ihrer kleinen Fellfreundin auf dem Arm wieder nach oben. Sofort umsorgte sie das Samtpfötchen mit Futter und Katzenmilch. Am Abend schlief Laura überglücklich mit Lady im Arm ein. Seither haben wir die Fenster mit Sofakissen vor dem ungewollten Zuschlagen geschützt. Als Laura unserem Vermieter diese unglaubliche Geschichte erzählte, meinte dieser nur: „Also bin ich doch nicht verrückt!! ich habe tatsächlich eine Katze fliegen sehen! Nur, mir glaubt ja keiner!“ © Christiane Rühmann

Die Predigerin - die Frau, die Leben lehren wollte

Sie war bekannt, wurde umlagert, gefeiert und allgemein sehr geschätzt. Ich hielt nichts von ihrer einfältigen Moralität. Ich wünschte, sie sei nicht dort gewesen, nicht so gegenwärtig. Sie inspirierte mich, aber sie irritierte mich – vorrübergehend nur! Ich fand wieder zu mir selbst. Merkte ich doch, dass sie in relevanten Dingen recht unsicher war. Ihre Augen schauten stets in verschiedene Richtungen. Merkwürdig, ich habe Resistenz und Kompetenz anders kennen gelernt! Was war mit ihr? Diese Frau machte mich neugierig. Auch schien sie verbalen Konfrontationen aus dem Weg zu gehen. Sie wirkte unsicher. Ich stellte Fragen, die sie verunsicherten. Antworten wurden umschrieben. Das ist etwas, was ich absolut nicht akzeptieren kann! Ich brauche klare Konfrontation! Ich suchte also ihren persönlichen Kontakt. Nach ihrer Veranstaltung gab ich vor, mich für ihr Dasein, ihr Leben und ihre Vision zu interessieren. Ich stand ihr jetzt gegenüber und schaute ihr tief in die Augen – nur vorübergehend, denn sie wich meinen Blicken aus. Als ich sie gezielt auf ihre Verhaltensweise ansprach, errötete sie deutlich und versuchte, meinen persönlichen Fragen auszuweichen. „Frau K…., warum weichen Sie mir aus“, wollte ich wissen. Sie drehte sich um, schien recht irritiert und verließ das Foyer, in dem sie ihr Buch signieren und sich den Fragen und Antworten der Interessierten stellen wollte und sollte. Das schaffte sie nicht mehr. Sie flüchtete. Warum? Unsicherheit? Unehrlichkeit? Unflexibilität? Betrug? Scharlanatanität? Konfrontation mit einer/einem Gleichgesinnten? Was war das denn für eine erbärmliche Vorstellung, bitte? Große Worte und nichts dahinter? Was hatte sie so verstört, verunsichert oder vertrieben? War ich es etwa, der sie durch meine Fragen und Konfrontationen so verunsichert hatte? Bin ich es gewesen, dem sie nicht mehr begegnen wollte, weil meine fragenden Kompromissionen für sie zu viel waren? Sie war offensichtlich sehr verstört und befand sich in einer stressartigen Situation, der sie nicht gewachsen war. Meine verbale Stärke hatte gesiegt! Aber wie sah es mit der Moral aus? Wie stand es um ihre Seele? Kareen K. war verschwunden! Sie verschwand aus meinem Leben, meiner virtuellen und visuellen Welt. Sie hat mich im wahrsten Sinne des Wortes ‚blockiert‘. Schade, ich hätte ihr gerne etwas übermittelt! Nämlich: „Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Jeder hat sein Schicksal in der Hand. Jeder hat unter seiner Unfähigkeit zu leiden. Jeder ist jedoch fähig…! © Christiane Rühmann

DANKSAGUNG

Burscheid im März 2014 Liebe Familie, Freunde, Bekannte, die Ihr mir die Feier zu meinem 60. Geburtstag durch Eure Anwesenheit bereichert habt, ich möchte mich recht herzlich bei Euch bedanken. Ohne Euch wäre dieses Event nicht das gewesen, was es für mich ist – nämlich „unvergeßlich“. Lieben Dank auch für die Zuwendungen, dank derer ich mir den einen oder anderen Wunsch erfüllen kann. Besonders möchte ich die Mitwirkenden des hervorragenden Programms, das wir erleben durften, hervorheben. Eure Beiträge in musikalischer und verbaler Form waren der Hit. Dank an die Fotografen für die zahlreichen Impressionen, die Ihr im Bild eingefangen habt. Eure Bilder werden ein -für mich- ganz besonderes Album füllen. Ebenfalls bedanke ich mich bei allen, die dabei geholfen haben, für das leibliche Wohl meiner Gäste zu sorgen. Kurz und knapp : D A N K E ! Eure Chris