Der kleine Osterhase
So, mein Sohn, jetzt ist es bald soweit. Ostern steht vor der Tür und wir haben eine große Aufgabe. Wir werden viele Kinder glücklich machen, mit unseren Ostereiern. Du bist jetzt fast ein Jahr und nun darfst Du helfen, unsere bunten Ostereier zu verteilen.
Muckel war unsicher, traute sich jedoch nicht, seinen dominanten Vater nach weiteren Details zu fragen. Er, Muckel, hatte seine Lebenszeit mit herumtollen und Spielen mit seinen Kameraden verbracht. Das, was seine Mum und sein Pa immer um dieselbe Jahreszeit gestalteten, war bisher an ihm vorüber gegangen. Er hatte registriert, dass sie unglaublich viele Hühnereier bemalten. Manche Eier waren ein wirkliches Wunderwerk.
Muckel seufzte. Was sollte er wohl dazu beitragen, um den Eltern zu helfen?
Er begab sich mit Papa und Mama in die Osterwerkstatt. Bislang hatte ihn das alles nicht interessiert, was sich in ihr befand, doch diesmal wurde sein Interesse geweckt.
„Papa, was sind das alles für Stöcke mit den Borsten oben dran?“
„Das sind Pinsel, mein Junge“.
„Pinsel? Wozu braucht man sie denn? Sie sind ja auch noch unterschiedlich dick. Was hat das auf sich?“
„Weißt Du Muckel, Ostern ist ein großes Fest. Dazu benötigen die Zweibeiner bunte Eier, die wir bemalen und ausliefern. Je bunter und kreativer ein Ei bemalt ist, desto lieber haben es die Menschenkinder. Sie werden in Gärten unter Blumen, Sträuchern und Bäumen versteckt, damit die Menschenkinder sie suchen sollen. Mit diesen unterschiedlich starken Borstenpinseln können wir die schönsten Dinge auf ein Ei malen. Willst Du es mal ausprobieren?“
Muckel war beeindruckt. Noch nie hatte er bemerkt, wie wichtig der Beruf seines Dad´s als Eiermaler war. Die Kunstwerke dann auch noch ausliefern zu dürfen, war wohl das Größte, was im Leben eines Hasen passieren konnte. Er müpfelte begeistert mit seiner Hasenschnute, nochmal und nochmal.
„Du meinst, ich darf auch ein Ei bemalen? Ja denkst Du denn, dass ich das kann?“
„Sicher kannst Du, Du bist ja schließlich mein Sohn!“ Vater Hase lachte laut.
Muckel begann, einen dünnen Pinsel in die vielfältigen Farben zu tauchen. Vorsichtig streifte er die überflüssige Farbe ab. Er begann, eine Kontur auf ein Ei zu malen. Mit hochrotem Kopf stellte er fest, dass sein erster Versuch gar nicht mal so schlecht war. Es machte ihm jetzt Spaß und so begann er, als die Konturen getrocknet waren, diese farbig auszumalen. Er war eifrig bei der Sache und seine kleine Hasenzunge glitt langsam über seine kleinen Hasenlippen hin und her. Sorgfältig mischte er die Farben, um einen natürlichen Effekt zu erhalten.
Papa Hase beobachtete ihn genau bei seiner Tätigkeit und blinzelte ab und zu über seine Brille hinweg zu seinem tüchtigen Sohn. Er erkannte sehr bald, dass Muckel Talent hatte.
„Zeigst Du mir Dein Ei, wenn Du fertig bist, Muckel?“
„Ja, Papa. Ich bin schon so weit. Komm schauen, ich bin ganz stolz!“
Papa Hase erhob sich von seinem Hocker und ging zu Muckels Arbeitsplatz. Er stieß einen Schrei aus, so laut, dass Muckel erschrak.
„Muckel, das ist ja ein wahres Kunstwerk! Du bist ja richtig begabt! Damit wirst Du den Junior-Eier-Malwettbewerb gewinnen! Großartig!“
Von seinem Geschrei aufgeschreckt, kam Muckels Mama aus der Küche gestürmt: „Was ist denn hier für ein Lärm?“
„Schau mal, was mein Sohn hier für ein wunderbares Ei kreiert hat! Er ist ein wahrer Künstler!“
„Wow, das ist ja wirklich ein Kunstwerk! Aber wieso eigentlich DEIN Sohn, häh? Muckel ist MEIN Sohn! Das Kreative hat er von MIR!“
„Mama, Papa, hört auf zu streiten! Gefällt es Euch wirklich so sehr?“
Ja, das tat es. Überwältigt und stolz nahmen sich die Eltern bei den Händen und tanzten durch die Wohnung. Muckel verstand seine ausgeflippten Eltern nicht mehr so wirklich.
„Könnte mir bitte mal jemand erklären…..“, begann er zu fragen, als seine Eltern ihm den Wert seines allein kreierten Ei´s erklärten.
Muckels Ei wurde beim Eier-Mal-Wettbewerb ausgestellt – und gewann!!
Warum, wurde ihm erst viel später bewusst. Er hatte ein Ei kreiert, an dessen Bild sich bereits viele Hasen vorher probiert hatten. Niemand war es gelungen, ein EI DES KOLUMBUS zu gestalten. Muckel hatte es geschafft! Er schuf Amerika mit winzig schmalen Strichen auf einem kleinen Hühnerei, Schiffe, die den Ozean überquerten und einen überglücklichen Kapitän, der die Arme zum Himmel streckte, als er den amerikanischen Boden betrat. Er hatte Koordinaten gezeichnet und eine Weltgeschichte dargestellt, die kaum jemand vor ihm auf ein Papier, geschweige denn, auf ein Hühnerei gezeichnet hatte. Es war das schönste Ei der Saison geworden.
Mit dem Erlös aus dem Sieg dieses Malwettbewerbes, machte sich Muckel ein Jahr später selbstständig. Er eröffnete eine Künstler-Ei-Werkstatt und beschäftigte viele Junghasen. Sie konnten bei und von ihm lernen. Die Kreationen seiner Werkstatt sind mittlerweile auf der ganzen Welt berühmt und geschätzt.
„Muckels Werkstatt“ stellt die schönsten und kreativsten Eier der Welt her. Wenn Du ein wunderschönes Ei zu Ostern findest, ist es sicherlich von ihm…
© Christiane Rühmann (Kindergeschichte April 2014)
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