Lebenseinstellung......

Leben ist eine Einstellungssache,
der Rest ist ein Empfinden,
das man zu einer Einstellung machen muss.....

(c) Christiane Rühmann

Die Stinkbombe.......

Zu meiner Schulzeit, von 1960 bis 1968 gab es noch einen Eintrag auf dem Stundenplan "Bücherei".

Das bedeutete, Klassenbeschäftigung, während man sich gleichzeitig oder vielmehr parallel in dem Schul-Buch-Schuppen Bücher aussuchen und ggfs. ausleihen konnte.

Die Klassenlehrer machten sich während dieser Zeit dann meistens auch vom Acker und gaben vor, "Aufsicht" zu schieben, damit von den Heiligtümern keines gestohlen wurde und ihjr persönlicher Heiligenschein nicht verloren ging.

Also blieben die meisten Klassen während dieser Zeit unbeaufsichtigt und wurden nur mit irgendwelchen Aufgaben beschäftigt.

Grinsend und gleichzeitig triumpfhierend haben wir natürlich diese Zeiten genutzt, um irgendwelchen Blödsinn zu verzapfen. Meistens stand auch immer einer von uns auf dem Flur Schmiere, um zu melden, falls sich eine aufgeballte Qualle als Autoritätsperson dem Klassenraum näherte.

Sofort waren wir alle brav und arbeiteten an den uns auferlegten Aufgaben. Damals war es auch noch nicht so wie heute, dass ein Schuljahr zwei oder drei Klassen besetzten, sondern es gab in unserem kleinen Dorf nur vier Klassen, bestehend aus acht Schuljahren.

Dementsprechend wenige Lehrer gab es dadurch auch. Alles war irgendwie sehr familiär, zumal die Pauker selbst auch Kinder hatten, die teilweise auf unserer Schule unterrichtet wurden. Das gestaltete sich natürlich nicht immer sehr einfach, wegen Bevorteilung und so.....

Na ja, war eher selten, da die Paukkids ja auch nur beim sch... die Knie krumm machten, und um zu uns übrigen zu gehören, machten sie auch fast jeden Blödsinn mit.

Mal haben wir die Türklinken mit Gummiarabikum eingeschmiert, mal haben wir die dünnspahnigen Sitzflächen der Lehrerstühle von unten mit einem Gemisch aus Löwensenf und scharfem Meerrettich eingestrichen und amüsierten uns später, nachdem diese Masse die Holzsitzfläche durchzogen hatte, darüber, dass sich die Obrigkeiten dauernd am Mors kratzten und sichtlich unruhiger wurden.

Ein Anderesmal kicherten wir darüber, dass die von Spucke durchtränkten Papierkügelchen, die wir mittels Lineal an die Decke über dem Lehrerpult katapultiert hatten, nach und nach trockneten und Klümpchen für Klümpchen in den Dunstkreis des Paukers fielen. Nee, an Ideen hat es uns selten gefehlt, ähnlich wie dem Schüler Nietnagel aus den altbekannten Pauker-Filmen.

Auch damals gab es schon "Sitzenbleiber", sogar welche, die zwei Ehrenrunden drehen durften. Das Problem war nur, dass diese dann altersmässig zwei Jahre den anderen Klassenkameraden voraus waren, und genau das machte sich auch in ihrer körperlichen Entwicklung bemerkbar.

Besonders trat das Problem bei den Mädels auf. Ich denke das kennt Ihr alle.

Der Busen beginnt zu wachsen, Körpergeruch tritt ein und ab und zu sah man auch einen roten Fleck auf der Sitzfläche und nicht zuletzt auch an der rückwärtigen Bekleidung der armen Person, wenn so ein pupertierendes Mädel aufgestanden war.

Die Lehrerschaft hatte mit diesen Eigenschaften kein Problem, aber die Mitschüler. Kinder und Jugendliche sind halt grausam und immer darauf aus, andere zu verletzen und zu diskriminieren.

So passierte es auch Dagmar immer wieder, dass sie von den männlichen pupertierenden Ungeheuern zur Verzweiflung getrieben wurde. Sie haben sie so lange gehänselt, bis sie anfing zu weinen. Ich glaube, heute nennt man das "Mobbing".

Dagmar war zweimal sitzengeblieben. Oft tat sie mir sehr leid, aber ich habe auch nichts unternommen, um die Horde davon abzuhalten, ihre Spässe mit ihr zu treiben.

Ich schäme mich heute dafür.

So kam es an einem Morgen zur "Bücherstunde" dazu, dass wiedermal keine Aufsicht in unserem Klassenraum war. Diese Tatsache hatte Robert dazu genutzt, um das Schulgelände zu verlassen, über die Strasse in den kleinen Dorfladen zu laufen, der von einer sehr geschäftstüchtigen Dame namens "Hildegard" betrieben wurde, um dort ein Mobbingobjekt zu kaufen. Bei Hildegard gab es alles, was Kinder- und Jugendherzen begehrten. Lose Bonbons aus dem Glas, Cola, Schulutensilien, die BRAVO und auch Scherzartikel, wie Furzkissen und Stinkbomben. Robert hatte sich heute für zwei Stinkbomben entschlossen.

Nachdem er flinkst wieder auf das Schulgelände und in den Klassenraum geeilt war, warf er hinter die eifrig lernende schüchterne Dagmar, eine dieser Stinkbomben. Sofort verbreitete sich der fürchterliche Gestank in der gesamten Klasse. Es stank so schlimm, dass wir alle gröhlend den Unterrichtsraum verliessen und uns auf dem Flur halb totlachten und teilweise sogar ihren Würgereiz nicht unterbinden konnten.

Nur die arme Dagmar blieb auf ihrem mittlerweile viel zu klein gewordenen Stuhl sitzen und brach lauthals in Tränen aus.

Mit donnernden Schritten näherte sich unser Pauker dem Klassenraum und wollte wissen, was los sei. Auch ihm war mittlerweile der Gestank nicht entgangen, also wollte er wissen: "Wer war das?"

Alle schwiegen - wie in der heutigen Fernsehwerbung mit der Versicherung - aus Solidarität und zuckten mit den Schultern. Also begab er sich in die Klasse zu Dagmar und versuchte zunächst einmal, sie zu beruhigen. Er nahm sie sanft beim Arm und forderte sie auf, ihm ins Lehrerzimmer zu folgen, nachdem er zuvor noch eilends die Fensterflügel bis zum Anschlag geöffnet hatte. "Wir sprechen uns noch!", meinte er, als er mit Dagmar an uns vorbeiging. Und nun.....?

Plötzlich war uns allen nicht mehr zum lachen zumute und das schlechte Gewissen plagte die meisten von uns. Wahrscheinlich war es nur die Angst vor Strafe oder vor so etwas wie einem "blauen Brief" oder einem autoritären Besuch zu Hause.

Robert bemerkte die allgemeine Haltung und meinte nur: "Lasst mich jetzt nur nicht im Stich, ihr wolltet doch auch, das ich das mache."

Alle schwiegen.

Nach einer Weile kam der Schulleiter zu unserer Gruppe, schnappte sich Robert am Ohr, drehte dieses, bis er seinen Kopf wendete und entschwand mit ihm aus der Klasse.

Wir hörten nur noch: "So, mein Freund......., das hat ein Nachspiel!"

Auweiahh, das konnte ja noch heiter werden.

Zur Strafe musste Robert vier Wochen lang die Tafel wischen, die Papierkörbe leeren, die Klasse fegen und hatte Pausenhof-Verbot.
Darüberhinaus musste er zwanzig DIN A 4 - Seiten Strafarbeit schreiben.

Wir übrigen kamen mit einer schroffen Ermahnung davon, was uns jedoch alle nachdenklich gemacht hatte und erkennen lies, dass man niemals mit einer Person so umgehen darf.

Wir hatten uns später ALLE, auch Robert, bei Dagmar entschuldigt und sie sogar in unsere Gemeinschaft aufgenommen. Sie wurde nach diesem Vorfall lockerer und pflegte sich deutlich besser.

Oft muss halt etwas Grausames geschehen, um sich gegenseitig mehr Verständnis entgegen zu bringen und aus unseren Fehlern zu lernen.

Niemals wieder habe ich mich dazu hinreissen lassen, gegen jemand in solcher Art und Weise Partei zu beziehen - im Gegenteil, ich bekenne mich heute zu den Schwächeren und stehe voll und ganz vor Denjenigen, die sich alleine nicht wehren können.

Meine Taten machen mich nicht stolz - haben jedoch zu einer Erkenntnis geführt.

Entschuldige, Dagmar........

c) Christiane Rühmann

Der Dorfsheriff....... Teil 2

Also, für mich war die Zeit auf den Dörfern sehr erlebnisreich.

Wieder eine Episode mit Willi:

Eines Abends hatten wir in derselben Dorfkneipe vereinbart, dass wir ein Fussballspiel austragen wollten, für das wir von jedem Zuschauer 5,00 DM als Eintritt nehmen wollten, die der Kinderkrebshilfe in der nächst grösseren Stadt Eutin zugunsten kommen sollten.

Mittlerweile hatte man spitz gekriegt, dass ich jahrelang als Torhüterin in meinem Damenfussballverein im Rheinland aktiv gewesen war.

Aus diesem Grund wurden an einem Kneipenabend auf dem Dorf bereits Mannschaften aufgestellt, bei denen ich in der einen als Torhüterin tätig sein sollte.

Wow, war das aufregend, die Dorflümmel dabei zu beobachten, wie sie ihre Persönlichkeiten auf die einzelnen Mannschaften aufzuteilen versuchten.

Wie gesagt, ich gehörte nicht deren “Dorfklüngeln” an und galt als Aussenseiter.

Als sie aber erfuhren, dass ich erfolgreich 5 Jahre Damenfussball im Tor verlebt hatte, und dass noch bei einer hier im Rheinland sehr erfolgreichen “Frauschaft”, wurden sie alle messerscharf und rissen sich darum, mich als Torhüterin in ihrer Mannschaft zu beschäftigen.

Die Planung stand also, und das musste man standesgemäss in der Dorfkneipe begiessen.

Wir hatten den Termin ausgemacht und den Fussballacker reserviert. Ordentlich wurde die Werbetrommel gerührt, und es gab einige Leute, die glaubten, mit ihrer Titischrift Plakate hierfür auf die Beine stellen zu können.

Sie schnitten “genormte” Streifen von einer Tapetenrolle ab und setzten in grossen Lettern das Datum des Ereignisses darauf:

” Am Sontag, den 22. August in diesem Jahr, findet unser Tornier auf dem Sportplatz Lüttenbrake statt. Eintritt ist 5,00 DM. Es gibt Würstchen und Senf zu kaufen”.

Ich konnte es kaum fassen! Das Plakat ging tatsächlich so in Vervielfältigung!- und zudem noch unter meine eigene Gürtellinie!

Der Tag rückte an, die Mannschaften waren aufgeteilt, und ich spielte natürlich “gegen” meinen späteren Mann.

Rücksichtslos, wie Dorftrottel nun mal sind, versuchte man mir natürlich ein Tor nach dem anderen reinzubrettern. Doch eins hatten sie verkannt: Ich war Profi!

So kam es, dass nach der regulären Spielzeit meine Spielgemeinschaft mit 7 : 5 Toren gewonnen hatte.

Der Zorn meines Mannes war mir gewiss und die Wertschätzung seiner Teamkollegen ebenfalls.

Nix mit 'Kuscheln' heute Abend - das war´s!

Das Spiel wurde gut besucht. Etwa 200 Zuschauer säumten das Spielfeld.

Als Respektperson gab sich natürlich auch WWW (world-wide-willi) die Ehre. Er sorgte dafür, dass Bengt Larsson nicht mit seinem Fahrrad über das Spielfeld raste, oder dass Frauke nicht ständig über dem Geländer am Spielfeldrand ihre Purzelbäume schlug.

Als er sein Tageswerk vollbracht hatte, ging auch er zur normalen Tagesordnung über und bestellte sich im Zelt ein grosses Bier. Dieses erhielt er ohne eigene Zahlung als “Dienstleistungszuweisung”.

Gegen 19.00 Uhr begann es leicht zu regnen und so begab sich die gesamte Sportplatzgesellschaft in die nahe gelegene Dorfkneipe. Das Spiel, was dann begann, habe ich ja bereits in meiner vorhergehenden Geschichte beschrieben.

Doch dieses Ereignis sollte alle Rahmen sprengen!

Willi erreichte ein Anruf beim Kneipenwirt vom Pfarrer aus der Nachbargemeinde.

Jemand hätte den Beichtstuhl aus der Kapelle gestohlen und mitten auf den Marktplatz gestellt und darin eine Kerze angezündet. Willi solle sofort kommen und sich um Aufklärung bemühen!

Haah, dachte Willi, und begab sich ohne Mütze, Koppel und Jacket auf den Weg zum Nachbarort.

Das war schliesslich eine ernst zu nehmende Straftat. Er wollte sich zu seinem Dienstfahrrad begeben, aber ich bot ihm an, ihn zu seinem Einsatzort mit meinem PKW zu fahren, nicht zuletzt deshalb, weil ich kneipengesprächsmässig mitbekommen hatte, wer für dieses Dilämma verantwortlich war, und herausfinden wollte, wie Willi seine Ermittlungen durchführte.

Wir kamen also bei der kleinen Kirche an, auf dessen Vorhof sich der Beichtstuhl befand.

Man hatte diesem eine Schleife umgebunden und er sah irgendwie “niedlich” aus auf seinem Platz.

Der Pfarrer zeterte sogleich los, als Willi aus meinem Fahrzeug ausstieg.

Willi wollte sich Notizen in seinen Block machen, den er immer in seinem Jacket mitführte, doch da fiel ihm auf, dass er seine Jacke ja gar nicht bei sich hatte.

Ich erkannte Willi´s Not, holte aus dem Handschuhfach Block und Stift und übergab sie ihm.
Willi notierte alle Einzelheiten, die der Pfarrer ihm mitteilte, ohne zu ahnen, dass ich genau wusste, wer die Scherzbolde waren, die den Beichtstuhl auf den Marktplatz befördert hatten.

Er nahm die Aussage des Pfarrers akribisch genau auf, stellte unnütze Fragen und notierte jede Kleinigkeit. Schliesslich befahl er den Gaffern, den Beichtstuhl in die Kapelle zurück zu setzen, was diese auch wehr- und wortlos taten.

Willi hatte alles perfekt geregelt!
Erhobenen Hauptes fuhr er zurück, mit mir, in die Dorfkneipe und gab seiner Zufrieden- und Fähigkeit Ausdruck dadurch, dass er eine Thekenrunde ausgab.

Danach wurde er durch die “Blume” auf die Täter der Begebenheit aufmerksam gemacht, was er jedoch nicht mehr wirklich registrierte. ER hatte den Beichtstuhl gerettet und ER hatte ihn wieder an seinen PLATZ schaffen lassen.

Geplanterweise schnallte er das allerdings alles nicht mehr, fuhr -wie immer- mit seinem “Dienstfahrzeug” (dem Fahrrad) nach Hause und verfasste am nächsten Tag einen “undurchsichtigen” Polizeibericht.

Die Tageszeitungen waren am nächsten Tag voll von dieser Begebenheit und lobten Willi dafür, dass er gleich dafür gesorgt habe, dass das "Möbelstück Gottes" wieder an seinen Platz gelangt war....

World-wide-willi war wiedermal der Held des Dorfes...

(c) Christiane Rühmann

Der Dorfsheriff....... Teil 1

Sicher könnt Ihr Euch alle noch daran erinnern, wie es früher war. Nicht nur die Postboten strampelten auf ihren Fahrrädern ohne Gangschaltung durch die ländliche Prärie, sondern auch die Polizei.

Jedenfalls war das so bei der Polizei, bis die Beamten, die irgendwo in ihrem kleinen Heimatort ihr Büro hatten, mit Mopeds oder Rollern ausgestattet wurden. Da hatten Langfinger noch echte Chancen.....!

Unser Dorfsheriff, von dem die Geschichte erzählt, lebte oder lebt in einem 500-Seelen-Dorf in der Holsteinischen Schweiz.

Als mich meine Freiersfüsse 1979 nach dort verschlugen, hatte ich den Eindruck, als sei ich um mindestens zwanzig Jahre zeitlich zurück versetzt. Alles war so einfach, kaum anspruchsvoll.

Die Tornetze auf den Fussballplätzen waren mit Nylonstrümpfen geflickt, Störche hatten auf den riesigen Schornsteinen der oft mit Reet bedeckten Häuser, ihre gigantischen Nester, die zumindest angemeldeten Fahrzeuge waren zum Teil mit dreierlei verschiedenen Reifen (..lächel) bestückt. Bettwäsche wurde zum Bleichen auf die Wiesen gelegt und war mal irgendwo eine Scheibe kaputt, wurde sie einfach mit einem Stück Pappe repariert.

Man nahm diese Unregelmässigkeiten nicht so wichtig. Alles in allem war es urfurzgemütlich!

Selbstverständlich gab es in jeder kleineren Ortschaft auch eine Dorfkneipe und sogar meistens in jeder zweiten zumindest, eine Kirche oder Kapelle. In der Dorfkneipe war natürlich immer viel los, es tanzte der Bär, und das bereits vom frühen Vormittag an.

An einem Abend gingen mein späterer Mann und ich, auf ein Bier in eine solche Dorfkneipe.

Da H.W. aus der Umgebung kam, kannte man ihn und begrüsste ihn herzlich. Ich wurde da eher schon mit Skepsis betrachtet, und auch anfangs links liegen gelassen. Es ist also wirklich was dran an dem Ausspruch: "Die sturen Holsteiner".

Haben sie Dich aber erstmal in ihr Herz geschlossen, kannst Du Dich vor Fans kaum retten.

Wir gesellten uns also um den Tresen, bestellten ein Bier und H.W. kam sehr schnell ins Gespräch. Als er mich als seine Freundin vorstellte, war das Eis zumindest - na sagen wir mal - angepiekst.

Gebrochen war es erst, als ich eine Thekenrunde ausgab. Jemand fragte dann, ob wir mit knobeln wollten und so begann ein recht geselliger und feuchtfröhlicher Abend.

Etwa gegen 22.00 Uhr betrat ein Polizist, der dortige Dorfsheriff, den Gastraum. Er grüsste in die Runde:

"Moin moin", und alle grüssten zurück: "Moin Willi".

Willi gesellte sich ebenfalls an die Theke und brauchte nicht einmal sein Bier zu bestellen, der Wirt hatte es, wie selbstverständlich, von sich aus gezapft und vor Willi hingestellt.

Es folgten ein zweites und ein drittes Bier, bis er fragte (auf Plattdütsch natürlich): "Kann ich mit knobeln?"

"Jo", kam es trocken zurück.

Er rückte sich einen Barhocker zurecht, der sehr wackelig war, weil er bereits an einem Bein mit breitem Isolierband geflickt war, und stellte seine Regeln auf, die da lauteten: Die Verlierer sollten die ersten drei Runden in Bier bezahlen, danach könne man ja ums Strippen knobeln.

Alle schauten sich an und erklärten sich schmunzelnd einverstanden. Sie kannten das schon - und los gings.

Man lies Willi dreimal nicht verlieren. Die gewonnenen Biere schlürfte er triumphierend und breit grinsend, innerhalb von kürzester Zeit hinunter. Dann sollte es ans Eingemachte gehen und für Willi war Schluss mit lustig!

Von da an verlor er jedes Spiel!

Zwischendurch wollte er sogar den Platz wechseln, weil er glaubte, dass sein Pech davon abhängig sei, dass er auf diesem wackeligen Hocker saß.

Als Erstes legte er, seinen eigenen Regeln gemäss, zuerst die Mütze ab. Es folgten sein Koppel, als nächstes seine Jacke, dann sein Hemd, Unterhemd usw.

Seine wuscheligen Brusthaare liessen mich breit grinsen...

Mittlerweile war Willi so blau, dass ihm das scheinbar nichts mehr Etwass ausmachte. Im Gegenteil, sein Ehrgeiz, doch nochmal zu gewinnen, liess ihn immer weiter knobeln, Platz wechseln, schimpfen.....

Nachdem er auch noch seine Schuhe und die Socken "verloren" hatte, war nun seine Hose an der Reihe. Ich traute meinen Augen nicht!

Die Stimmung stieg, als er diese letztlich auch noch auszog. Alle Kleidungsstücke lagen auf einem Tisch, auch der Gürtel mit der Waffe in ihrem Schafft. Unglaublich - aber sehr lustig!

Willi stand nun also in seiner langen grauen Unterhose mit leichten bis mittelmässigen Gebrauchsspuren, in dem Gastraum und schnaubte vor Wut.

Er raffte seine gesamte Bekleidung, zog lediglich die Stiefel an, rollte alles in sein Jacket ein und begab sich nach draussen zu seinem Dienstfahrrad.


Hier schnallte er alles auf seinen Gepäckträger, setzte sich auf das Gefährt und strampelte, so gut wie unbegkleidet, murrend vondannen.

Es schallte ein grosses Gelächter durch die Dorfstrasse. Man wusste, dass er am nächsten Abend wiederkommen, als erstes seine drei Bier von gestern bezahlen und erneut sein Glück herausfordern würde, vielleicht diesmal beim Flippern oder Lügen....

Noch zwei- oder dreimal war ich mit in dieser Dorfschänke und alles wiederholte sich, wie beim Erstenmal.

Diese Geschichte schrieb das Leben und macht es sie wert, niedergeschrieben und erzählt zu werden.

Vielleicht ist Willi ja später versetzt worden und ist heute ein "world-wide-willi"................

Aus dieser kleinen Ortschaft wird es noch eine weitere winzige Episode geben, die Ihr im Anschluss an diese lesen könnt...

(c) Christiane Rühmann

Müller & Müller....... (amüsante Verwechslungsgeschichte)


Wie fast überall im Leben, muss man ganz schön strampeln, um als Networker aus Milch Sahne zu schlagen und somit einen Fuss auf den Tellerrand zu bekommen, um einmal darüber hinausschauen zu können.

Oft ist es so, dass man sich mit dem Produkt, das man überaus überzeugt anpreist, sich identifiziert, zunächst einmal die Garage voll stellt, um die Erfolgsquote nach oben zu treiben. In der Regel sind es Reinigungs-, Nahrungsergänzungsmittel oder aber auch Tausendsassa-Geräte, deren Vertrieb ein Leben in Wohlstand versprechen. Wer viel verkauft, bekommt viel, denn nur wo gehobelt wird, fallen Späne.

Manchen von Euch werden diese Motivationsausdrücke sicherlich bekannt sein.
Viele verlieren nach anfänglichen Misserfolgen den Mut und geben   d a s   Geschäft wieder auf. Dann heisst es von der motivierenden Spitzenelite: Nur die Harten kommen in den Garten.....
Erfolg kann jedoch auch tatsächlich erfolgen, wenn man - na sagen wir mal - einen gewissen naiven und unwiderstehlichen Charme hat, so wie Wolfgang Müller (Namen geändert).

Wolfgang wollte sich mit dem Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln ein zweites Standbein aufbauen, damit er und seine Frau das Haus, an dem sie bauten, schneller fertig stellen und bezahlen konnten. Voller Eifer und mit Feuer im Blut, begab er sich an seine Aufgabe. Es gelang ihm tatsächlich, sich innerhalb einer kurzen Weile enorm nach oben zu arbeiten. Seine Verkaufszahlen sprachen sich für ihn aus. Von vielen bewundert, leistete er sich zunächst ein zweites Fahrzeug, weil er häufig zu Meetings und sogar überregionalen Verkaufsgesprächen ausrücken musste und er seiner Frau nicht die Beweglichkeit nehmen wollte. Wolfgang legte von Monat zu Monat noch eine Schaufel zu und mauserte sich bald zu einem Verkaufsgenie. So kam es, dass er von der Firma zu einem Riesenevent für Verkaufsstars nach Atlanta in die USA eingeladen wurde, um hier seine Ehrung für die Verdienste um das Unternehmen entgegen zu nehmen.

Wolfgang machte sich also mit dem ihm zugesandten Ticket auf den Weg zum Flughafen nach Frankfurt. Beinahe wäre er zu spät gekommen, weil er mal wieder nicht rechtzeitig genug zu Hause losgefahren war. Er liess es of zu lässig angehen. Das hatte soeben noch hingehauen. Er stolperte hocherhitzt mit seiner Reisetasche in den Flieger. Hier traf er bereits auf einige, ebenfalls Topverkäufer, die genau wie er in die Staaten eingeladen worden waren, um dort genauso eine tolle Trainingswoche nebst Preisverleihung zu verleben. Vom Ansehen her kannte er einige Gesichter bereits, aus Meetings.

In Atlanta angekommen, wurde die Gruppe von einem Shuttle-Bus am Flughafen abgeholt und zum Hotel gebracht. Während sich alle an der Rezeption um die reservierten Zimmer bemühten, begab sich Wolfgang erst mal zu den Toiletten. Der Drang - die Aufregung, der lange Flug .... Ihr wisst schon.

Na ja, einchecken konnte er schliesslich immer noch. Also schaute er sich zunächst einmal in dem Hotel um. Einige seiner Reisebegleiter hatten mittlerweile bereits ihr Quartier bezogen und schienen sichtlich zufrieden. Es fehlte an keinem Comfort. Nun wollte auch Wolfgang seinen Schlüssel an der Rezeption abholen.

Da man davon ausgegangen war, die gesamte Reisegruppe abgehandelt zu haben, fragte man ihn am Empfang gesondert nach seinem Namen. Er antwortete lieb und brav "Müller", und so wurde er als Einziger der Gruppe, von einem Pagen auf seine Suite begleitet, welcher sogar noch seine Reisetasche trug, und ....die Hand aufhielt.

Es fehlten nur noch einige Gäste für dieses Riesenevent, und zwar die Macher und Top-Verkäufer aus aller Welt, die mit anderen Fluglinien angereist kamen.

Nachdem auch sie alle eingetroffen waren, eingecheckt hatten und sich dann am Abend zu den übrigen Mitgliedern gesellten, um sich bekannt zu machen, stellte sich heraus, dass der Star-Verkäufer Nr. 1 und zugleich Leiter der Veranstaltung, zufällig auch "Müller" hiess.

Einige von den Teilnehmern, die mitbekommen hatten, dass Wolfgangs Reisetasche von einem Pagen befördert worden war, und die gleichzeitig noch einen Blick in Wolfgangs "Suite" werfen konnten, hatten nun angenommen, dass er der "Müller Nr. 1" war und scharten sich um ihn, um über Verkaufsstrategien und Produkte im Vorfeld einiges mehr zu erfahren, bis - tja, bis dann der echte "Müller Nr. 1" die Bühne betrat und sich bei allen Anwesenden vorstellte. Wolfgang hatte sich schon gewundert, warum alle gerade an ihm solches Interesse zeigten, schliesslich sah er nicht aussergewöhnlich anders aus, als die anderen.

Das sollte sich nun langsam aufklären, als der wahre "Müller Nr. 1" seine spassige Begrüssung hinter sich gebracht hatte und mitteilte, dass es offensichtlich noch einen "Müller" gäbe, der ihm wohl seine von ihm reservierte Suite bewohnt habe und der sich ja wohl sicherlich über so viel Comfort gewundert und gefreut haben müsse.

Wolfgang lief rot an. Aller Augen schauten auf ihn. Es war ihm sichtlich peinlich, als er nun aufgrund des Vorkommnisses nun auch noch auf die Bühne gebeten wurde. Ihm standen die Schweissperlen auf der Stirn als er begann, eine Entschuldigung in das ihm gereichte Mikrofon zu stammel. Er fügte allerdings schelmisch hinzu, dass ihm das Ambiente sehr gut gefallen würde, er aber denn doch bereit wäre, mit der wahren Nr. 1 die Räumlichkeit zu tauschen, falls dieser Wert darauf lege.

"Müller Nr. 1" nahm die Angelegenheit sehr gelassen und versicherte Wolfgang, dass dies genau der Weg und die Strategie sei, die man verfolgen solle, um seinen Weg erfolgreich in diesem Geschäft zu gehen, jede Gelegenheit wahr zu nehmen, die einem geboten wird, um einen Vorteil für sich selbst zu erwirtschaften.  Immerhin hätte er es ja bereits bis nach Atlanta geschafft und das sei schon beeindruckend. Aus diesem Grund dürfe er die Suite während des gesamten Aufenthaltes bewohnen und müsse nicht umziehen.

Das war also geklärt. Wolfgang und Müller Nr. 1 ernteten viel Beifall und Gelächter. Das versprach, eine tolle und lockere Woche zu werden. Wolfgang fühlte sich saumässig wohl und genoss die erlebnisreiche Zeit in dem überaus stilvollen Hotel.

Für Wolfgang ist sie bis heute noch die schönste Verwechslung seines Lebens.......

© Christiane Rühmann