Atze bei Facebook



Atze bei Facebook„So, dat will ich jetzt auch“, denkt Atze und legt sich ein Profil bei Facebook an in der Hoffnung, dass er sich mit Gleichgesinnten austauschen kann.

Als er es nach Stunden endlich geschafft hatte, sich zu profilieren, bekam er auch gleich schon einige Freundschaftsanfragen von Vereinsmitgliedern seines geliebten Fußballvereins aus dem hohen Norden. Er konnte nun mal nichts dagegen tun, aber sein Herz schlug für den HSV – und das als Ruhrpottler! Nicht nur von ihnen, sondern auch andere warben um seine Freundschaft. Jeder von ihnen ‚teilte‘  selbstverständlich seine Vereinszugehörigkeit mit, postete Fußballwappen, Trikots oder Erfolge seiner Mannschaft, zu der er sich hingezogen fühlte.

Warum nicht, dachte Atze und bunkerte einen nach dem anderen in seiner Freundschaftsliste.
Noch ahnte er nicht, was er sich damit antat.

Es war Freitag, und ein neues Bundesliga-Wochenende begann. Atze war gespannt auf die Spielergebnisse und die Kommentare seiner vermeintlichen „Freunde“. Er hatte sich ein kleines Bierken geöffnet und saß gespannt vor seinem Computer. 

„Wat is dat denn für´n Spasti? Will der mich verdummpiepeln? Da sendet der Vollpfosten mir doch tatsächlich so´nen Smily, bloß weil HSV gerade ma en Tor eingesteckt hat? Na warte…“

Atze spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss und seine Halsschlagadern zu schwellen begannen. Er begann in die Tasten zu hauen und bekam währenddessen einen neuen Post:
„Na Atze, wärsse ma bei unseren Blau-weissen… .“ 

Höhnisch folgte noch ein „Glück auf“!!! Das war zu viel.

Ein kreisrundes Emblem mit einem weissen „S“ auf blauem Hintergrund und einer „04“ darunter, tat sich vor seinen Augen in einer PN auf. „Oleee oleeeoleee oleee, wir sind die Champions oleeee….“

‚Boah, sach ma, wat geht denn jetz ab? ‚`denkt Atze und will gerade was texten, als ihm ein Fan von den Rot-blau-weißen aus dem tiefen Süden, eine Message sendet: „Toooor in BAYERN!!!“ …“wir sind die Champions, oleeeee!“

Gerade will er wieder loslegen, da kommt ein neuer Report von einem gelb-schwarzen Fan: „BVB olee oleee oleee oleeeee……“

‚Oh nee, gez auch noch von de grün-schwarzen, dat halt ich ja nich aus…‘

Das hatte sich Atze anders vorgestellt. Da war ja nur Intrige und Missgunst, Hetzerei und Frötzelei! Nää, dat wollte er nicht mehr und wollte sich ganz diskret aus der globalen Fangemeinde von Facebook zurückziehen.
Er begann, verschiedene Freundschaften zu löschen, weil er deren Stress nicht mehr gewachsen war. So schnell konnte ja kein Mensch tippen,  wie er auf alle Nachrichten antworten sollte. Das war ja schon extremer Stress! Dat muss ein Atze nich haben!

Er löschte und löschte und löschte. Nur sein Account blieb bestehen. Woher sollte Atze auch wissen, dass er auch diesen löschen musste? Jemand vonne Kneipe hatte es ihm erzählt. Atze setzte sich in der Nacht noch an seinen Rechner und rief sein Profil auf. Er suchte vergeblich nach einem „LÖSCHEN“-Button, oder „Profil entfernen“. Stattdessen hatte er weitere Freundschaftsanfragen, so etwa 25, von anderen Fußballnarren, blau-weiss, gelb-schwarz, schwarz-grün, rot-weiss, weiss-rot usw. .

Atze beschloss, fb einfach nicht mehr aufzurufen, stattdessen inne Kneipe umme Ecke sein Bierken zu trinken, wenn sein Verein spielte, ganz leise „Juhuuuuuu“  zu schreien, wenn der HSV mal ein Tor schoss und war doch zu neugierig. Nach Ende der Saison wollte er nochmal nachschauen, was denn in der Zwischenzeit so alles ‚abgegangen‘ war. Er staunte nicht schlecht, dass er mittlerweile 1876 Nachrichten hatte. Neugierig überflog er sie alle und entdeckte eine von „Mirko Slomka“. 

Wirklich!!! Mirko Slomka hatte ihm geschrieben: „ Hee, Du treulose Tomate! Hättest Du mal bei fb mehr für uns gevotet, wären wir Meister geworden!!!“

 Das Ganze natürlich nur mit einer negativen Fraze.
‚Wie jetzt‘, denkt Atze ,‘ dat allet kann facebook?‘

Er schaute verstohlen um sich und aktivierte alles, was ihm auf den Bildschirm kam. Mit gefangen – mit gehangen, dachte er und nahm ab sofort die tückischen Nebensächlichkeiten der Plattform in Kauf. Hauptsache, er verpasste keine PN´s mehr.

Offenbar war er der einzige HSV-ler im Ruhrpott und die Nachricht ‚Slomkas‘ ein Fake……????

Atze verbringt seither jede freie Minute vor seinem Rechner und bei Facebook.

© Christiane Rühmann (Februar 2014)

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