Was für ein Tag: Positiver Stress, ausgezeichnetes Wetter,
ein nettes Date vor Augen, aber zuvor noch die Fellnasen meiner Tochter Gassi
führen – und schon beginnt der echte Stress.
Nachdem ich meine Laptops eingepackt und meinen Schreibtisch
aufgeräumt habe, ziehe ich meine Jacke an und verlasse bestens gelaunt mein
Büro. Ich schließe die Fahrertüre meines treuen Freundes HONDI auf und stelle
die Taschen auf den Beifahrersitz. Jetzt nur noch starten und dann kann es losgehen.
Mist, habe ich ordnungsgemäß abgeschlossen und das Magnet auf ‚abwesend‘
geklatscht? Ich hatte ein schlechtes Gewissen. Das ist wichtig, denn der
Letzte, der das Gebäude verlässt, muss die Villa abschließen, um die
Alarmanlage scharf zu schalten. Ich muss nochmal rein, das muss ich klären.
Alles war in Ordnung. Oh Mann, jetzt schießt es mir aber
doch auf die Zeit. Also los, Fenster einen Spalt öffnen und erst mal eine
Zigarette anzünden. Hoffentlich ist unterwegs nicht zu viel Verkehr und die
Baustellenampeln mal endlich synchron geschaltet.
„Tut mir leid Kleiner, aber Du musst jetzt einen Zahn
zulegen, damit ich rechtzeitig zu meiner Verabredung komme“, spreche ich zu
meinem treuen Lebensgefährten.
Ich habe da so meine kleinen Tricks, um HONDI bei Laune zu
halten. Am Wichtigsten sind die Gespräche, die ich mit ihm führe, z.B.: „Was
denkst Du, schaffen wir die orange Ampel noch? Oder, heute haben wir Zeit,
komm, wir machen einen kleinen Abstecher. Oder, schaffst Du zum Überholen auch
mal kurzfristig 130?“ Dabei streichle ich ihm dann liebevoll über die Kontur
seines signifikant geprägten Lenkrades.
Das liebt er. Genauso signalisiert er mir, wenn er Bedürfnisse hat. So beginnt
er zu knurren, wenn er Appetit auf eine
ölige Mahlzeit hat oder lässt seine Nadel schlapp nach unten fallen, um zu
sagen: ‚Du, ich schaffe die Strecke nicht, ich habe Durst.‘ Oft halte ich ihn
auch mit ein wenig ‚Lenkradpetting‘ bei Laune, das hat er besonders gerne. Ich
kraule ihn dann unter der Lenkung und streichle ein wenig die Armatur. Das ist
der Moment, wo ich mir stets einbilde, dass er getunt ist und mindestens 15 PS
mehr leistet, echt!!! Wir sind halt ein Herz und eine Seele.
Jetzt klingelt mein Handy. Mist, ausgerechnet jetzt. Ich
habe in der Eile vergessen, die Freisprechanlage einzuschalten. Ich fingere
nach dem Mobilteil in meiner Jackentasche und nehme das Gespräch an. Es ist ein
völlig unwichtiges und überflüssiges Telefonat.
Na bitte, was sag ich?! Da stehen die Flachpfosten schon,
durch ein Gebüsch getarnt und warten auf so Schwachmaten wie mich, um sie
abzuzocken! Als ob sie nie mal eine kleine Gesetzüberschreitung begehen! Ich
versuche noch, das Handy fallen zu lassen. Zu spät. Durch den Blick in die
Rückspiegel habe ich sofort gemerkt, dass auch sie meinen ‚Fehltritt‘ bemerkt,
ja vermutlich darauf gewartet hatten.
Sie folgten mir, blinkten mich an und forderten mich durch ein Lichtband auf,
rechts ranzufahren. Bereitwillig signalisierte ich ihnen, dass ich ihrer
freundlichen Aufforderung nachkommen würde, sobald sich eine Gelegenheit bieten
würde.
Auf dem Parkstreifen, den ich angesteuert hatte, blieb ich
im Fahrzeug sitzen und drehte sofort die Scheibe nach unten. Ein Beamter trat
an mein Fahrzeug, stellte sich vor und forderte mich auf, die Fahrzeugpapiere
auszuhändigen, die ich zunächst mal suchen musste. Er wunderte sich, als er
sah, wo ich sie her kramte. Mal ehrlich, kann ich doch nichts für, wenn er
stets ein Täschchen bei sich trägt, ich tue es jedenfalls nicht. Eine weibliche
Beamtin inspizierte mein Fahrzeug von außen genauestens, kontrollierte das
TÜV-Siegel, begutachtete das Profil aller 4 Räder und fragte nach einem
Warndreieck und dem Verbandskasten. Dazu musste ich aussteigen, um es ihr im
Kofferraum zu zeigen. Ich musste breit grinsen, als ich die Heckklappe öffnete,
denn ich besaß von jedem Teil zwei Exemplare! Sie wollte wissen, warum das so
ist und ich fragte im Gegenzug, ob das für sie von Bedeutung sei, was sie Zähne
knirschend verneinte.
Der Beamte kam dann endlich auf den Punkt:
„Wir haben gesehen, dass Sie während der Fahrt telefoniert haben. Was sagen Sie dazu?“
„Wir haben gesehen, dass Sie während der Fahrt telefoniert haben. Was sagen Sie dazu?“
„Sie müssen sich irren, ich habe eine Freisprechanlage,
schauen Sie her“.
Ich hatte sie, als ich den Streifenwagen bemerkte, natürlich
sofort eingeschaltet. Wenn ich das tue, leuchtet in kurzen Abständen ein blaues
Signallicht, was mich erkennen lässt, dass meine Mobilphone via Bluetooth mit
der Freisprechanlage verbunden sind.
„Wir haben aber gesehen, dass Sie ein Handy am Ohr hielten,
während Sie uns passiert haben. Wie erklären Sie sich das?“
„Das kann ich mir nicht erklären und ich behaupte nochmal,
dass Sie sich irren.“ Ich faßte einen waghalsigen Plan.
„Dann haben Sie ja sicher nichts dagegen, dass wir einen
Blick in Ihr Handy werfen, um festzustellen, ob wir Recht haben?“
Er bäumte
sich ein wenig auf. Aber das konnte ich auch. Ich atmete tief ein und erlaubte
mir die Bemerkung, dass das für mich an ‚Hausfriedensbruch‘ grenzen würde
–schmunzelnd natürlich. In der Regel gewinne ich damit, aber diesmal gelang mir
das nicht. Ich war mir natürlich meiner Sache sehr sicher und frötzelte weiter:
„Sind Sie überhaupt dazu berechtigt? Haben Sie einen
Durchsuchungsbefehl?“
„Wenn Sie uns beweisen wollen, dass Sie nicht telefoniert
haben, sollten Sie uns Ihr Handy aushändigen. Wenn Sie es nicht tun, werden wir
die Sache ahnden.“
„Wieso“, wollte ich wissen, „der Beklagte ist doch nach dem
Gesetz so lange unschuldig, bis ihm eine Schuld nachgewiesen wird, oder?“
Uuups Chris, jetzt halte mal langsam den Ball flach,
ermahnte ich mich selbst.
„Also, zeigen Sie uns nun Ihr Handy?“ Seine Stimme wurde
strenger.
„Nun gut, bitteschön.“
Ich fingerte erneut in meiner Jackentasche nach dem
Mobilteil. Hoffentlich ziehe ich jetzt nicht das falsche heraus. Ich besitze
nämlich zwei Stück – ein Diensthandy und ein privates. Aber wer weiß das schon?
Sie unterscheiden sich deutlich tastbar von der Oberfläche ihres Gehäuses, so
war auch das für mich kein Problem. Ich zog das Diensthandy, ein IPhone heraus
und übergab es dem Beamten.
„Bitteschön, soll ich den Freigabecode schnell eingeben?“
„Ja, das wäre sehr hilfreich“, entgegnete der Beamte und
begann sofort damit, in dem Handy zu wuseln. Offensichtlich kannte er sich sehr
gut damit aus. Hoffentlich klingelt jetzt nicht das andere, dachte ich und
bekam langsam Schweißperlen auf die Stirn. Mit dem Diensthandy hatte ich seit
über einer Stunde weder telefoniert, noch ge-WhatsAppt oder ge-Vibert. Als er
sämtliche Varianten ausspioniert hatte, lächelte er und meinte:
„Nochmal Schwein gehabt, ich kann wirklich nichts finden,
was auf die Benutzung des Handys hinweist.“
„Sag ich doch!“ Ich wurde wieder kesser.
Er reichte es mir zurück, warnte mich aber dennoch vor der
Benutzung während der Fahrt und wünschte mir eine gute Weiterreise.
Ich stieg zurück in meinen HONDI, kraulte ihn wiederholt unter
dem Lenkrad, diesmal noch liebevoller als zuvor, schmunzelte und setzte meine
Fahrt fort. Nach kaum 100 Metern klingelte erneut mein privates Smartphone…
Aber ich habe ja eine Freisprechanlage – wer wird mir da schon was anhaben können?
© Christiane Rühmann
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