Der Pfiffikus.....

Daniel war ein recht aufgewecktes Kerlchen. Stets musste er sich gegen seine zwei älteren Brüder durchsetzen. Das kostete nicht nur ihn viel Kraft, sondern regte auch seine Phantasie an. Nichts war ihm zu lästig, um den „Grossen“ ein Schnippchen zu schlagen. Oft sammelte er tagelang Utensilien, um ihnen etwas anzuhängen und ölte sich dann darin, wenn sie von den Eltern getadelt wurden. Zu seinen Utensilien gehörten Nägel, Knöpfe, Reisszwecken, Klebeband, Kordel, Kaulquappen, Blindschleichen und vieles mehr. Ohh, es war niemals langweilig bei ihnen zu Hause.

Am Freitag, nachdem die älteren Jungen aus der Schule wieder daheim waren, hatte sich der Knirps schon auf sie vorbereitet. Nach dem Mittaggessen wollten natürlich alle nach draussen, um ihre selbst gebaute „Räuberhöhle“ im nahegelegenen Wald aufzusuchen. Daniel konnten sie dabei nicht gebrauchen, er musste zu Hause bleiben und mit dem ätzend langweiligen Konstantin aus der Nachbarschaft auf dem Hof spielen. Mama hatte allen allerdings vorgeschrieben, dass sie sich alte Klamotten anziehen sollten und anderes Schuhwerk natürlich auch. Die Schuhe befanden sich in einer kleinen Abstellkammer und standen dort immer so ordentlich nebeneinander, dass man einfach so reinschlüpfen konnte.

Der Pfiffikus hatte sich zuvor aus Papas Werkstatt einen Hammer und einige Nägel geholt und damit versucht, als Mama in der Waschküche war, die Schuhe seiner Brüder am Boden festzunageln. Hierfür besass er dann allerdings doch noch nicht die nötige Kraft und sah sein Vorhaben als gescheitert an. Dann fiel ihm ein, dass Papa bei Oma und Opa letztens einen Teppichboden verlegt hatte und er hatte dabei zugeschaut. Also nochmal in Papas Werkstatt, die Nägel und den Hammer wieder zurück an ihren Platz, damit niemand etwas merkt. Er schaute sich um und öffnete jede Schublade. Wo war es denn gleich noch? Aah, genau das hatte er gesucht. Leise schlich er wieder in die Abstellkammer und riss von der doppelseitigen Klebebandrolle einige Streifen ab, die ebenso lang waren, wie die Schuhsohlen seiner Brüder. So, geschafft. Na, die werden fluchen und hoffentlich purzeln!

Er versteckte sich auf der Treppe, die nach oben führte um jederzeit schnell flüchten zu können, wenn es denn nötig war. Gespannt wartete er, dass die Jungen ihre Schuhe anzogen, und tatsächlich: Jonas war reingeschlüpft und kam nicht von der Stelle. Er verlor dadurch das Gleichgewicht, versuchte sich an Timo festzuhalten, der allerdings bereits selbst mit den Armen ruderte und beide fielen gegen das Regal mit den Reinigungsmitteln, die, wie bei einem Erdbeben, heraus und zu Boden fielen.

Durch das Gepolter und das Geschreie aufmerksam geworden, eilte Mama herbei und begann gleich zu schimpfen: „Ach Kinder, könnt Ihr denn nicht aufpassen? Macht das ja alles wieder ordentlich, bevor Ihr geht!“ Rechtfertigungsversuche fruchteten nicht und überhaupt, Mama hielt doch sowieso immer nur zu dem Kleinen Stinker.

Der zog es nun vor, nachdem er seinen Spass gehabt hatte, sich zurückzuziehen und sich vor seinen Brüdern bis zum Abend lieber nicht mehr blicken zu lassen. Wenn dann Papa auch noch zu Hause war, trauten sie sich nämlich nicht, dem Nesthäkchen irgendein Haar zu krümmen.

Klasse, das war mal wieder gelungen…..

Erst vor einer Woche mussten die Grossen bereits schon einmal aufräumen, als Daniel ein Mäusenest ausgenommen und die kleinen Tierchen in einer grossen Kunststoffdose, die er zuvor mit Erde und ausgerupftem Gras ausgelegt hatte, bei ihnen im Zimmer so deponiert hatte, dass diese bei der kleinsten Erschütterung einfach runterfallen musste. Die Erde verstreute sich im halben Kinderzimmer und die Mäuse natürlich auch…. Das war ein Gaudi. Dafür hatte Daniel dann allerdings auch Ärger bekommen. Wenn auch schmunzelnd, hatte Papa ihm abends eine Standpauke gehalten.

Natürlich waren die Grosseltern auch immer über Daniels Streiche informiert. Oma schüttelte immer nur mit dem Kopf, wenn wieder was passiert war, aber Opa…., Opa streichelte dem kleinen Burschen oft durch sein Haar und meinte nur: „Na, mein kleiner Pfiffikus, wiedermal alles wuschelig gemacht?“

Daniel liebte das. Seine Phantasie war erneut angeregt und er liess sich im nächsten Moment schon wieder etwas Neues einfallen….

Christiane Rühmann

Erinnerungen im Herbst.......

Es ist Sonntag. Ich werde wach und liege noch eine Weile im Bett. Ich merke, dass der Hund auch wahr genommen hat, dass ich aufgewacht bin, denn er beginnt unruhig zu tänzeln. Ach Balto, mein Junge! Gerne hätte ich vor dem Gassi gehen noch eine Tasse Kaffee getrunken, aber hinterher schmeckt sie sicherlich ebenso gut.

Also ab ins Bad, einen „Kölschen Wisch“ machen, geduscht wird später, ins medizinische Korsett zwängen, ankleiden und noch schnell die Kaffeemaschine programmieren, Stiefel anziehen nicht vergessen, und los geht’s. Mit diesem Rundum-Korsett soll mein brüchiger Rücken bis zum Operationstermin gestärkt werden. Drei Stunden täglich soll ich es tragen, kann damit jedoch weder sitzen oder Auto fahren und auch nicht liegen. Treppen gehen funktioniert, jedoch etwas umständlicher, und muss für 'Normalos' wohl unglaublich witzig aussehen. Ich wohne im dritten Stockwerk und der Hund kann kaum begreifen, warum ich ihm so träge folge. Er wird sich dran gewöhnen müssen. Im Wald angekommen, hat Balto sich natürlich sofort einen Stock gesucht und mir mit dem Schwanz wedelnd vor die Füsse gelegt. Gerne hätte ich ihm seinen Wunsch erfüllt, das Stöckchen aufgehoben und geworfen. Leider kann ich mich aber nicht bücken und so fordere ich ihn auf, weiter zu laufen – aber das Stöckchen nimmt er mit.

Ab und zu bleibe ich stehen, um zu verschnaufen und geniesse dabei die erfrischende Morgenluft. Als wir nach etwa einer Stunde auf dem Hügel angekommen waren, von wo man weit über Reiter-, Bauernhöfe und mein Städtchen hinweg sehen kann, verweile ich am Waldrand. Ich atme tief durch und schaue in den wunderschönen Himmel. Die Sonne wärmt kaum noch, aber ich empfinde sie als sehr angenehm. Ein paar Wolken belagern den sonst stattlich blauen Himmel. Ach, ist das schön! Ich bemerke den Hochstand der Jäger, der sich hier befindet und beschliesse, mich an seiner Leiter anzulehnen. Auf dem Nachbarfeld befinden sich noch einige Strohrollen und so kam mir meine Kindheit wieder in den Sinn.

Ich erinnere mich daran, wie es war, als die Felder abgeerntet waren, als Kartoffelzeit war, und das Kartoffelkraut verbrannt wurde. Als Kinder durften wir oft nebenan stehen und zuschauen. Manchmal fanden wir noch eine Kartoffel, pieksten sie auf einen langen Stock auf und hielten sie dann in das Feuer, um uns 'Bratkartoffel' zu machen. Das war immer sehr schön. Zu Hause gab es dann immer ein wenig Ärger, weil wir so nach Rauch stanken. Komisch, wir fanden, das roch lecker! Ach ja, und Heu – Heu wurde damals noch auf hohe dreieckige, unten verstrebte Holzgestelle, die einem Indiandertipi ähnelten, gepackt, um es dort zu trocknen. Man nannte diese Teile 'Heuböcke' und sie waren immer ein tolles Versteck für uns Kinder. Wir krochen darunter und versteckten hier unsere kleinen Geheimnisse, von denen die Eltern nichts wissen sollten, wie etwa eine Flitsche, das ist ein Holzstück, das aussieht wie ein Y, an das wir oben an der Gabel ein Einweckgummi befestigten, um damit mit Kieselsteinchen auf leere Blechdosen zu schiessen. „Viel zu gefährlich“, meinten natürlich die Eltern, und daher mussten wir das geheim machen. Auch lagerten wir dort Fahrtenmesser, mit denen wir ebenfalls nicht rumlaufen durften, obwohl sie doch lebenswichtig waren!

Ich lächelte vor mich hin. Ja, die Zeit war nicht vergleichbar mit der heutigen.

Einmal hatten wir dem doofen Nachbarn, der uns immer von seinem Grundstück jagte, das Gelege seiner Hühner geklaut. Strafe muss ja schliesslich sein. Aber wohin mit den Eiern? Also, nix wie ab unter die Heuböcke. Bloss, was sollten wir mit ihnen anfangen? Mit nach Hause nehmen konnten wir sie ja schliesslich auch nicht, das hätte nur blöde Fragen gegeben. Also haben wir sie gebraten. Streichhölzer hatten wir ewig gebunkert, schliesslich gehörte es zu einer unserer Mutproben, die abgebrannten Schwefelköpfe zu essen. Wir hatten einen Deckel von einem alten Bitumeneimer mitgenommen und schafften mit dicken Wackersteinen eine kleine Feuerstelle, die wir mit Hölzchen ausgelegt hatten, nahmen ein wenig getrocknetes Heu, ein wenig Zeitungspapier und richteten uns eine Kochstelle. Früher waren die Eimer schliesslich noch Eimer und aus Metall hergestellt, und nicht wie heute, aus Kunststoff. Daher eignete sich der alte Deckel bestens als Bratpfanne. Hmmmm, war das lecker. Mist, das qualmte aber auch ganz schön..... !

Und so fielen mir noch einige schöne Jugendgeschichten ein, während ich meine Augen über die Weite der Landschaft schweifen liess.

Sogar in der Schule wurde uns beigebracht, wie man Drachen baut. Es gab noch dieses bunte „Drachenpapier“, das wir benutzten, um unsere selbst gefertigten Holzrahmen damit zu bekleben. Lustige Gesichter klebten wir auf aus anders farbigem Papier oder malten die Fratzen. Für den Schweif benötigten wir lange Kordel, in die wir in kurzen Abständen Strohhalme einwickelten, das wir verknoteten. Niemand konnte voraussagen, ob sein Drache „es tat“ oder nicht. In Scharen traf man sich dann auf den abgerohdeten Strohfeldern, um seinen Drachen fliegen zu lassen. Oftmals hielten unsere Teile nur von zwölf bis Mittag, weil sie bei der oft unsanften Landung bereits zerbrachen und auch noch durch das stoppelige Stroh durchstochen wurden. Aber es war schön...... Abends kamen wir dann häufig mit, durch die stacheligen Strohhalme zerkratzten, blutigen Knöcheln nach Hause.

Ich war so in Gedanken versunken, dass ich nicht bemerkte, wie ich von einem Jäger angesprochen wurde, der an seinem Hochstand nur nach dem Rechten sehen wollte. Er lächelte, als ich mich erschrak. „Na, schlechtes Gewissen?“, meinte er. Ich rechtfertigte mich nur damit, dass ich ihm erzählte, wie und warum ich so in Gedanken versunken gewesen war, und dass mich eine solch tolle Aussicht dazu inspiriert habe. Nachdem wir noch eine Weile geplaudert hatten, verabschiedeten wir uns und ich begab mich wieder auf den Heimweg. Ich war sehr zufrieden, aber Balto eher nicht..... Nun, für heute früh muss es reichen, es kommen auch wieder bessere Tage.

Jetzt freute ich mich darauf, nach Hause zu kommen, das Korsett auszuziehen, und bei einer Tasse Kaffee meine Gedanken niederzuschreiben........

Christiane Rühmann

TELEFONBEKANNTSCHAFT........

Ist Euch das auch schon mal passiert: Ihr kennt jemanden seit Jahren vom Telefon her und hat von seinem Aussehen lediglich eine Vorstellung. Ist der/diejenige dick, gross, klein, dünn, Brille, Glatze usw. Das ist doch immer spannend, oder?

So erging es mir in den 70-er Jahren. Mit einem Verkäufer einer Mega-Fleischhandlung aus Hamburg telefonierte ich täglich und gab die Bestellung für den nächsten Tag durch oder klärte die Eingangsgewichte der gelieferten Tiere am selben Tag ab. Es meldete sich immer der selbe Verkäufer, namens "M". Dabei kamen wir im Lauf der Zeit auch dazu, uns zu duzen und dann auch noch unsere Gespräche immer persönlicher und vertrauter werden zu lassen. Oft telefonierten wir sogar mehrmals täglich. Wenn meine Kolleginnen auf ihrem Display die Hamburger Nummer sahen, scherzten sie bereits: "Für Dich Chris, Dein "M", und nahmen den Höhrer erst gar nicht ab.

Ich vermied jedoch, mit ihm zu korrespondieren, wenn mein Chef sich im Büro befand, oder ich tat dann äussert geschäftlich, so dass mein Gesprächspartner sehr flink reagierte und das Telefonat beendete, um sich später nochmals zu melden. Unser Chef hatte absolut kein Verständnis für so ein privates Geplänkel während der Arbeitszeit, das blieb nur ihm vorbehalten. Irgendwie kann ich ihn ja auch verstehen. Es gab noch keine Flat und keine Verbindungsnachweise...

Das ging so etwa zwei Jahre, bis sich eine Gelegenheit ergab, "M" persönlich kennen zu lernen, und das kam so:

Neben unserer Betriebsstätte gab es eine kleine urfurzgemütliche kleine Kneipe, wo ich mich mit meinen Kollegen öfters aufhielt. Sie wurde von einer älteren, damals bereits 70-jährigen lustigen Dame, nicht viel grösser als eine Parkuhr, betrieben. Marta konnte den besten Kartoffelsalat und die schmackhaftesten Reibekuchen Europas zubereiten. Hhmmm, schon bei dem Gedanken daran, läuft mir jetzt das Wasser im Mund zusammen.Aber auch sonst war Marta fit wie ein Turnschuh. Manche Flipperrunde gewann sie sogar gegen die Fittesten unter ihren Gästen und kicherte dann triumphierend. Es ging dort immer sehr lustig zu.

Im April 1977 hatte Marta ihre zwei Jahre ältere Schwester aus Hamburg für vier Wochen zu Besuch. Auch Ilse "Ilschen" war so flott drauf. Oft erzählte sie irgendein Seemannsgarn. Das hatte sie wohl von ihrem verstorbenen Mann, der einst zur See gefahren war. Im Dämmerlicht der Thekenbeleuchtung und in dem Nebel von Ilschens Zigarillos, sowie ihrem bereits recht knitterigem Gesicht, konnten einem schon manchmal die Nackenhaare steigen!!

Aber dann, eine Woche vor ihrer Heimreise, vertrat sie sich den Fuss und konnte nur noch mit Gehhilfe laufen. Wie sollte sie nun nach Hause kommen ? Unmöglich, dass sie mit ihrem Gepäck in dem gebuchten Zug fuhr!

Bei mir fuhren ganz langsm die Antennen aus, als ich von ihrem Mißgeschick erfuhr.

Ich erzählte meinem Telefonfreund "M" davon und auch, dass ich in Erwägung zog, Ilschen mit dem Auto nach Hamburg zu fahren, um dann noch das Wochenende bei ihr zu verbringen.

"Mensch", rief er am anderen Telerfonende: "Das ist doch die Gelegenheit, uns zu treffen! In Hamburg ist Hafenfest, ich lade Dich ein und Sonntag früh hole ich Dich ab zum Fischmarkt!"

Cool, genau so hatte ich mir das vorgestellt!

Ilschen jedenfalls war begeistert von meinem Vorschlag, sie nach Hause zu fahren und hatte mir natürlich angeboten, das Wochenende auf ihrer Couch zu verbringen. Ich hatte ihr auf der Heimfahrt erzählt, dass ich ein "blind date" hätte. Sie fand das total aufregend und überdimmens spannend. Sie überliess mir sogar ihren Wohnungszweitschlüssel, damit ich mich austoben konnte und zeitlich nicht gebunden war.

Ich hatte "M" die Rufnummer von Ilschen gegeben, damit wir uns am Freitag Abend noch kurz für den nächsten Tag abstimmen konnten. Handys gab es ja noch nicht.

Ich hatte in der Nacht zum Samstag sehr unruhig geschlafen - nun ja, ich war halt sehr aufgeregt!

Pünktlich um 8.00 Uhr früh stand ich, wie verabredet, vor der Haustürnund wartete auf meinen Abholer. "M" hatte mich bereits gesichtet, als ich das Haus verliess. Er stieg aus seinem fetten Mercedes aus und kam mir lächelnd entgegen. Ich traute meinen Augen nicht und hoffte, dass er meine Enttäuschung nicht bemerken würde. Der Stimme nach sah er doch gaaanz anders aus...!! Oh je...!

Brav blieb ich bei seiner Umarmung stehen, gab mein Händchen und gab vor, mich echt zu freuen. Tja, das hat man davon, wenn die Sinne Augen kriegen!

"M" war 1,90 m gross und sehr kräftig, etwat 3 x XXl oder so. Er begleitete mich Gentleman-like zur Beifahrertür und liess mich in die schmucke Limousine einsteigen. Aus meinen Augenwinkeln merkte ich, wie er mich ansah und dann schliesslich meinte: "Na, mien Deern, is ans klar?" "Ja, klar" stammelte ich .Wir fuhren zuerst in ein Restaurant am Hafen, um ausgiebig zu frühstücken. Währenddessen wurde er mir immer symphatischer. Wir lästerten und kicherten über so belanglose Dinge, dass ich mir - .....wie...am Telefon vorkam. Nach dem Frühstück zeigte er mir Hamburg. Wir fuhren mit dem Boot über die Alster und besuchten am Nachmittag noch einen Jahrmarkt, wir hatten mächtig Spass. Ich fühlte mich sogar mittlerweile schnuckelig geborgen in seiner Nähe. Das hätte ich am Anfang nicht gedacht.

Nach dem ausgedehnten 4-Gänge-Menue bei Kerzenschein und Wein, liessen wir den Abend gegen 23.00 Uhr ausklingen. Wir verabschiedeten uns mit einer Umarmung bis zum nächsten Morgen um 6.00 Uhr.

Auf ging es heute zum Fischmarkt und zum Hafenfest!

Ich war beeindruckt von den vielen Marktschreiern und der Vielfältigkeit der Angebote. In einer Fischerkneipe nahmen wir einen echten Grog, der mich fast von den Füssen haute, und der uns in die richtige Marktstimmung versetzte. Hamburg schien sich allmählich mit Menschen zu füllen. Alle begaben sich in Richtung Hafen, wegen des Hafenfestes. Das Wetter war uns heute nicht so hold und ich begann zu frösteln. "M" legte mir behutsam sein Jacket über die Schultern und umarmte mich. Mir wurde warm.....

Ich gab es erst zurück, als wir uns gegen 15.00 Uhr auf den Weg zu Ilschen machten. Aaachch, schaaade, ich wäre gerne noch länger geblieben, aber schliesslich musste ich noch über 400 km fahren und am anderen Morgen pünktlich im Büro sein, um mit einem gewissen Herrn "M" die Gewichte der angelieferten toten Tiere am Telefon abzustimmen......

Zum Abschied gaben wir uns vor Ilschens Haus einen zarten Kuss - auf den Mund - und waren uns einig, dass dies das schönste Wochenenden war, das wir seit langem gehabt hatten....

Christiane Rühmann

Stachelige Männerbeine......

Ich war gerade erst zwanzig Jahre alt geworden, als ich zu Hause, aus dem wohl behüteten Elternhaus, auszog, weil ich mir eine kleine 40 Quadratmeter-Einliegerwohnung angemietet hatte. Meine erste eigene Wohnung - Mann, war ich stolz! Ich konnte es mir sogar leisten, sie mit flammneuen Möbeln auszustatten. Dafür jobte ich unter der Woche und an den Wochenenden. An Geld fehlte es mir nie. Ich fuhr stets die angesagtesten Autos und trug die fetzigste Kleidung.

Die Wohnung lag in einem sehr schönen und grossen Haus, welches hoch am Berg gebaut war und über eine sehr schöne und anschaubare Gartenanlage verfügte. Kein Wunder, denn der Hausbesitzer war selbständiger Gartenbaumeister und legte sehr grossen Wert auf seine gepflegte Grundstücksanlage. Unterhalb des Hauses und von oben bedeckt mit Grün, befanden sich drei Garagen mit einer kurzen steilen Einfahrt. Die mittlere davon hatte ich angemietet.

Mit der Zeit bemerkte ich, dass der Vermieter genauestens wusste, wann ich am Abend zuvor ggfs. auch, ob ich überhaupt nach Hause gekommen war. Ständig schlawenzelte er mit der Giesskanne oder irgendwelchen Gartengeräten um mich herum, wenn ich mich auf meiner wunderschönen grosszügigen Terasse im Bikini sonnte, oder auch, wenn ich Besuch hatte, versuchte er ständig, einen Blick auf mich zu erhaschen oder mit mir ins Gespräch zu kommen. Manchmal klopfte er sogar unter irgendeinem Vorwand an meine Terassentüre - aus reiner Neugier - denke ich.

Am Anfang fand ich das ja noch sehr lustig, aber im Lauf der Zeit war ich darüber schon etwas angenervt. Das führte dann später auch dazu, dass ich ständig die Rollläden runter liess, um mich frei in meiner Wohnung bewegen zu können. Allerdings nervte er weiter.....

Eines nachts, als ich vom Spätdienst meines Jobs zurück kam, es war bereits nach zwei Uhr, stellte ich vor dem Garagentor erschreckt fest, dass ich den Schlüsselbund mit dem Haustür- und Wohnungsschlüssel bei meiner Arbeitsstätte vergessen hatte. Nochmal zurück fahren kam nicht in Frage. Dazu war die Strecke zu weit, und beim Vermieter klingeln, kam erst recht nicht in die Tüte. Also setzte ich meinen Wagen, wie immer, rückwärts in die Garage, holte aus dem Kofferraum eine schnuckelige Wolldecke, die man in meinem Alter ja wohl logischerweise für alle Fälle bei sich hat, begab mich zurück ins Auto, liess den Sitz zur Liegefläche hinab, stellte einen Reisewecker, der sich -natürlich auch nur für alle Fälle in meinem Handschuhfach befand- und wollte gerade einschlafen, als ich ein Geräusch hörte. Auf einmal war ich wieder hellwach, und beobachtete, dass sich das Garagentor von aussen langsam öffnete. Ich richtete mich auf und griff auf dem Nebensitz zu einer schweren Zinnvase, die mir an dem Vorabend mein Bruder vorbeigebracht hatte und die er selbst hergestellt hatte.

Ich spürte, wie mein Herz schneller schlug und glaubte, es fast sogar schlagen hören zu können.

Ich sah zunächst nach aussen hin gegen das Strassenlaternenlicht nur ein paar Füsse, die dann langsam nach oben hin ständig länger wurden, aber trotzdem unbekleidet blieben, bis....... sie sich zu zwei stacheligen Männerbeinen entwickelten, die dann unterhalb der Hüften ihre Nacktheit verloren, also etwa auf Short-Länge!

Wenn der Vorfall gefilmt worden wäre, hätte der Betrachter annehmen können, dass er sich in einer Peepshow befände.

Vor mir stand dann plötzlich, nachdem das Garagentor gänzlich geöffnet war, mein Vermieter! Puuuhhh, der war es bloss! .....im Shorty und Filzpantoffeln....lächel.

Er hatte gehört, dass das Garagentor zuvor geöffnet und wieder geschlossen wurde, jedoch hatte er keine Haustüre schliessen und keine Toilettenspülung hören können. Also nahm er an, dass mir auf dem Weg von der Garage bis zur Haustüre etwas zugestossen sei und machte sich auf, um nachzuschauen. Er staunte nicht schlecht, als ich ihm erzählte, warum ich im Auto übernachten wollte.

Nachdem wir das nun alles geklärt hatten, begleitete er mich zu meiner Wohnung, die er mit seinem Drittschlüssel öffnete. Am nächsten Tag holte ich natürlich meinen Wohnungsschlüssel ab und machte aus zwei Schlüsselbunden eins. Ausserdem hinterlegte ich einen Wohnungsschlüsselexemplar in der Garage und einen Garagenschlüssel deponierte ich im Auto.

Denn, das sollte mir nicht nochmal passieren........!

Christiane Rühmann