Lars wohnte in einer Grossstadt. Mit seinen 5 Jahren wirkte er bereits etwas älter, als seine Altersgenossen. Das lag wohl an seinem unaufhörlichen und nicht zu stillendem Wissensdurst. Wenn er den Mund aufmachte, sprudelten, wie eine Fontaine, die Fragen und altklugen Weisheiten nur so aus ihm heraus.
Lars Mama musste ins Krankenhaus und sein Papa war beruflich für einige Wochen in Südafrika.
Er hatte es gut aufgefasst, als seine Mama ihm erklärte. dass sie operiert werden müsse, und er so lange zu Oma und Opa aufs Land ziehen solle.
Seine Grosseltern wohnten unweit von einem riesigen Gutshof. Dort gab es Kühe, Pferde, Gänse, einen Esel, einen Hund, einen kleinen Teich und natürlich Katzen.
Der kleine Bursche hatte bisher wenig Gelegenheit, seine Grosseltern regelmässig zu sehen oder zu besuchen. Seine Mama war ja ständig zu Hause und deshalb kamen die Grosseltern meistens zu ihnen zum Kaffeetrinken, zu dem Oma immer einen leckeren selbst gebackenen Kuchen mitbrachte.
Diesmal sollte der Zwerg allerdings zu den Grosseltern auf´s Land. Als seine Mama den Wagen vor der Grosseltern Haus abstellte, kamen diese bereits aus der Haustüre. Oma nahm Lars freudestrahlend in den Arm, knuddelte ihn und drückte ihm einen fetten Schmatzer auf die Wange, den er sofort abwischte und Opa klopfte ihm kumpelhaft auf die Schulter und meinte: "Hallo, mein Grosser."
Das hatte Lars gefallen, damit konnte er klarkommen. "Kommt erstmal rein", sagte Oma. Seine Mama freute sich nach der langen Fahrt auf eine Tasse Kaffe, die ihre Mutter natürlich längst fertig hatte, und natürlich wieder auf ein Stück selbst gebackenen Kuchen. Hmmm, wie das duftete, als sie die gute Stube betraten. Sie plauderten eine ganze Weile und beredeten dabei, was sie alles mit dem Enkel unternehmen wollten, bis Lars Mama wieder nach Hause fuhr. Er und seine Grosseltern verabschiedeten sich, wünschten seiner Mama alles Gute für die OP und winkten ihr noch lange hinterher, bis ihr Auto nicht mehr zu sehen war.
Lars senkte ein wenig traurig seinen Kopf, bis der Opa ihm liebevoll durch seine Locken strubbelte und den kleinen Mann aufmunterte. Er versprach seinem Enkel eine tolle Zeit. Nun freute er sich auch ein wenig auf die vor ihm liegende Zeit bei Oma und Opa. Am Abend schlief er sehr schnell ein, in dem eigens für ihn hergerichteten Zimmer. Liebevoll hatten Oma und Opa noch ein paar kinderfreundliche Poster an die Wände gehängt und die kleine Kammer sehr lustig und bunt für den Jungen hergerichtet.
Am nächsten Morgen, Lars war bereits gewaschen, angezogen und satt vom Frühstück, meinte sein Grossvater: "He Lars, was meinst Du, sollen wir gleich mal mit dem Fahrrad zum Bauernhof fahren und uns die Tiere anschauen?" Burschi war begeistert. Sein kleines Fahrrad hatten sie extra von zu Hause mitgebracht und Tiere....., Tiere kannte er nur aus den Bilderbüchern. Also radelten sie los. Der Bub brauchte nicht einmal mehr Stützräder, er war ja schliesslich schon gross und fand die Teile albern. Auf dem Weg zum Gutshof kamen die beiden "Männer" bereits an einer Koppel mit Pferden vorbei. Sie hielten an, Lars pflückte einige Gräser und lockte damit eine neugierige Stute an den Zaun. Er streckte seinen Arm gaaanz weit aus und hielt das Grasbüschel dem grossen Tier entgegen. Sein Arm war wohl doppelt so lang wie sonst. Die Stute nahm bereitwillig den Leckerbissen entgegen und berührte mit ihren weichen Lippen Lars Hand, die er sofort zurück zog. Er war ein wenig erschrocken und verunsichert, rupfte aber gleich noch mehr Gras aus und reichte es dem Pferd erneut. Nun strahlte er über das ganze Gesicht und traute sich sogar, den Schopf des Tieres zu streicheln, allerdings immer noch mit einem doppelt so langen Arm, wie sonst.....
Dann radelten sie weiter und erreichten den Hof. Der Gutsherr begrüsste den Opa mit: "Moin moin Alfred, moin mien Jung. Wie heisst Du denn?"
Opa grüsste mit einem "moin moin Karl" zurück und Lars antwortete höflich mit einem "Guten Tag, ich bin der Lars." "Der Junge kommt aus der Stadt und möchte mal echte Tiere auf dem Land sehen." "Na denn man tau", sagte Karl und wuschelte mit seiner tellergrossen kräftigen Hand durch Lars Locken.
Sie machten sich auf, um zunächst einmal die Kühe zu besichtigen. Sie waren bereits fertig gemolken und Karl wollte sie gerade auf die Weide treiben. "Du kannst mir helfen", meinte er zu dem Stadtjungen und das lies sich dieser nicht zweimal sagen. Karl öffnete die Gitter und die Kühe verliessen nach und nach den Stall und begaben sich in Richtung Weide.
Lars war erschrocken, wie gross die Tiere in Wirklichkeit waren und suchte Opas starke und beschützende Hand. Dieser schmunzelte und marschierte mit seinem Enkel an der Hand, der Herde hinterher. Als alle auf die Weide getrieben waren, durfte der Junge den Zaun schliessen.
Stolz ging er mit Opa und Karl zurück zum Hof. Karl zeigte ihnen noch den Teich und die Gänse. Eine Gans kam mit ausgebreiteten schlagenden Flügeln schnatternd auf Lars zugerannt. Der lief kreischend davon und versteckte sich hinter einem riesigen Holzfass. Karl und Opa begannen schallend zu lachen. Durch den Lärm im Schlaf gestört kam nun auch noch Arcor, der Hofhund, dunkel bellend und wuffend auf die Gruppe zugelaufen. Für Lars war das alles sehr aufregend. Als er letztlich Arcor, der fast so gross wie er selbst war, gestreichelt hatte, leckte dieser ihm mit seiner grossen Zunge schwanzwedelnd durchs Gesicht. "Bäääähhh", rief Lars und wischte sich, wie bei dem Kuss von Oma, mit seinem Ärmel durch seine kleine Visage.
Als er nach einiger Zeit mit Opa wieder nach Hause radeln wollte, drehte er sich noch einmal um und winkte Karl zum Abschied mit hoch erhobenen Händen zu. "Kannst jederzeit wiederkommen", rief Karl zurück.
Als sie endlich wieder zu Hause angekommen waren, roch es bereits draussen vor dem Haus nach Braten, Kartoffeln, Sosse und Salat....und, es roch auch noch nach Kuchen aus dem Backofen. Den sollte es dann später wieder zum Kaffee- und Kakaotrinken geben. Die beiden Männer wollten nun erst ihre Räder in den Schuppen stellen, als Mikesch, der Kater von den Nachbarn, sich um die Ecke schlich. Mikesch war ein kräftiges und riesiges schwarz-weisses Exemplar.
"Guck mal Opa!" rief Lars voller Begeisterung: "das ist aber eine kleine Kuh!"
Die Großeltern schmunzelten. Oma wurde sofort über die vielen Erlebnisse informiert. Sie lächelte warm und gütig, so, wie eine Oma es nur kann, zog ihren Enkel auf den Schoss und freute sich, dass "ihre Männer" so viel Spass gehabt hatten.
Am Abend schlief der "Jungbauer" völlig erschöpft ein und träumte von vielen grossen Kühen und.... einer kleinen Kuh.
(C) Christiane Rühmann
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